Nach Bafin-Kritik: Bund der Versicherten fordert Überprüfung der Vertriebswege
Zu hohe Kosten und zu geringe Renditen: Julia Wiens, die neue Versicherungsaufseherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), ging dieser Tage hart mit einigen Lebensversicherern ins Gericht (wir berichteten). Die Gesellschaften sollten diese Kritik zum Anlass nehmen, um einmal ihre Vertriebswege auf den Prüfstand zu stellen, fordert jetzt der Bund der Versicherten (BdV) gegenüber procontra.
Frühere Auswertungen der Bafin hätten gezeigt, dass der Vertrieb über den angestellten Außendienst eher günstig sei, gefolgt vom Vertrieb über Versicherungsmakler und Ausschließlichkeitsvertreter. Vergleichsweise teuer sei dagegen der Vertrieb über Banken und Sparkassen sowie der Mehrkanalvertrieb. „Denkbar und naheliegend ist es, hier weiter aufzuschlüsseln“, sagt BdV-Chefökonom Constantin Papaspyratos zu procontra.
„Sind zum Beispiel Kostenspreizungen bei Finanz- und Strukturvertrieben sowie Haftungsdächern und Pools festzustellen? Wie verhält es sich bei Vergleichsportalen, die als Versicherungsmakler registriert sind? Sind bei Vertriebswegen mit höheren Kosten auch Beratungs- bzw. Betreuungsleistungen feststellbar, die sich nachgewiesenermaßen positiv auf den Kundennutzen auswirken? Kann der Nachweis dafür nicht erbracht werden, ist das mindestens erklärungsbedürftig.“
Welche Schlüsse Vermittler ziehen sollten
Auch die Vermittlerschaft sollte aus der Bafin-Kritik ihre Schlüsse ziehen und die mit ihnen kooperierenden Lebensversicherer offen darauf ansprechen, inwieweit auch ihre Produkte davon betroffen seien. „Wenn vom Versicherer keine zufriedenstellende Antwort gegeben wird, sollte der Vermittler daraus seine Schlüsse ziehen“, so Papaspyratos.
Es sei bedauerlich, dass die Bafin öffentlich keine konkreten Angaben zu den beanstandeten Produkten und Unternehmen mache. So blieben die Ergebnisse insgesamt sehr vage und unscharf. Bekannt sei lediglich, dass die Kritik der Finanzaufsicht auf einer Untersuchung von 13 der rund 90 deutschen Lebensversicherer basiere.
„Kritik greift zu kurz"
Insgesamt hält der BdV die Bafin-Abrechnung mit einigen Lebensversicherern für gerechtfertigt. Sie greife allerdings zu kurz, findet Chefökonom Papaspyratos „Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass die Verträge der Babyboomer-Altkunden endfällig werden. Und hier sprechen wir vor allem von Verträgen, die die Bafin-Vorgängerbehörde, das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen BAV, seinerzeit reguliert hat. Diese Altverträge fallen aus der Kundennutzenbewertung raus.“
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, hatte nach der Manöverkritik von Julia Wiens gegenüber procontra angemahmt, jetzt nicht die gesamte Branche an den Pranger zu stellen. „Das ist keinesfalls eine Bankrotterklärung für die Branche“, so Wirth. „Es ist eine klare Ansage an einzelne Lebensversicherer.“