LV-Wiederanlage

Erbschaften: Der tückische Billionentransfer

Durch die Erbschaftswelle steht ein Riesengeschäft für Lebensversicherer und Vermittler im Raum. Ebenso die Frage, ob das Kapital abfließt oder im Unternehmen verbleibt.

Author_image
10:12 Uhr | 08. Dezember | 2023
Erbschaften

Erbschaften bieten großes Potenzial für die Versicherer und somit auch für Vermittler. Die Geschichte hat allerdings einen Haken.

| Quelle: nobtis

Vermögen im Wert von zig Milliarden Euro wird jedes Jahr in Deutschland vererbt; laut Statistischem Bundesamt waren es 2022 fast 60 Milliarden Euro. Aus der Sicht von Unternehmensberatern liegt hierin eine Chance für Versicherer – und damit auch für Vermittler, da hier die persönliche Beratung dringend gebraucht wird.

Größter Transfer aller Zeiten

Cap Gemini geht im World Life Insurance Report 2023 auf das Potenzial von Erbschaften für Lebensversicherer ein. Die Analyse bezieht sich zwar auf die Weltbevölkerung. Da der Anteil der älteren Menschen in Deutschland im internationalen Vergleich aber besonders hoch ist, dürften die Erkenntnisse übertragbar sein.

Dem Bericht zufolge werden Lebensversicherer bis 2040 mit einem erheblichen Abfluss verwalteten Vermögens rechnen müssen. „Angesichts des größten Vermögenstransfers in der Geschichte ist die Branche mit finanziellen Unsicherheiten konfrontiert“, schreiben die Autoren. Derzeit besäßen Versicherungsnehmer ab 65 Jahren 40 Prozent des Assets under Management der Versicherer, was sich bei den 40 größten Unternehmen weltweit auf 7,8 Billionen US-Dollar addiere. Bis 2040 werde dieses Vermögen an die Begünstigten übertragen, wobei 71 Prozent der Empfänger über 50 Jahre alt seien. Wer diesen Kunden zu ihren Bedürfnissen und Zielen passende Angebote macht, gehöre zu den Gewinnern der Erbschaftswelle.

Zwei Seiten einer Medaille

Die meisten Makler ahnen an dieser Stelle vermutlich bereits: Die Sache hat auch einen Haken. Man muss das Thema von zwei Seiten betrachten, sagt daher Justus Lücke, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig: „Einerseits bietet die Vererbung ein gewisses Potenzial für Versicherer, insbesondere Einmalbeiträge für sich zu gewinnen. Andererseits stellt der Ablauf von Lebens- und Rentenversicherungen mit Auszahlung an Begünstigte eine Herausforderung dar.“

Anzeige
Die Wiederanlagequote liegt unter 30 Prozent.
Justus Lücke

Lücke relativiert die Chancen: Das Einmalbeitragsgeschäft fände aktuell nur wenig Zuspruch bei Kunden. Ein Grund sei vermutlich die wieder attraktiven Zinsangebote von Banken für Tages- und Festgeldkonten. Und abfließendes Kapital würden die Versicherer auch nur zu einem eher geringen Teil halten beziehungsweise zurückholen. „Die Wiederanlage der Mittel oder die Verrentung im Rahmen von Rentenpolicen gelingt noch zu selten. Die Wiederanlagequote liegt unter 30 Prozent.“

Neugeschäft sollte Abflüsse ausgleichen

Das wiederum habe Konsequenzen. Durch die Abflüsse reduzierten sich die laufenden Beiträge. Zudem müssten, falls nicht genügend Neugeschäft zufließt, gegebenenfalls auch Kapitalanlagen mit aktuell stillen Lasten aufgelöst werden. „Dies übt Druck auf das Kapitalmarktergebnis aus“, resümiert der Experte.

Eine Umfrage von procontra unter ein Dutzend Versicherern, wie alt deren Versicherungsnehmer im Schnitt sind, um Rückschlüsse auf demnächst abfließendes Asset under Management zu ziehen, blieb weitgehend unbeantwortet. „Das sei geschäftsrelevant, darüber geben wir keine Auskunft“, begründete ein Unternehmen seine Zurückhaltung. Alte Leipziger teilte zumindest das Durchschnittsalter der versicherten Personen mit: 45 Jahre. Keine Schätzungen und Daten haben einige Versicherer eigenen Angaben zufolge über das Kapitalvolumen, das bis 2030 vererbt werden könnte. Bei Rentenversicherungen zum Beispiel könne heute noch nicht wissen, ob bei Fälligkeit, die Renten- oder die Kapitalauszahlung gewählt wird. 

Breite Palette an Produkten

Auskunftsfreudiger waren die Unternehmen beim Thema Wiederanlage und erstmalige Anlage von Kapital aus Erbschaften von Neukunden. Alte Leipziger hält hierfür ihre Sofortrente, (Fonds)rente mit Einmalzahlung (FlexInvest, DuoSmart) bereit. Wer Geld nur parken möchte, könne das Kapitaldepot FlexCash nutzen. Und um Vermögen zu Lebzeiten an die Nachkommen zu übertragen, stünde unter anderem eine Bauspar-Lösung parat.

Ähnliche Angebote machen Continentale, Allianz und Zurich. Continentale bietet für größere Beträge aus Erbschaften oder abgelaufenen Policen bis 300.000 Euro das ParkConcept Classic an. Allianz wiederum verweist auf ihr ParkDepot, Einmalbeitragsprodukte, SchatzBrief, PrivateFinancePolice und VermögensPolice. Zurich betont, dass es stets auf die individuellen Wünsche des Kunden ankomme. Das Angebot an Lösungen sei breit. Die weitere Entwicklung wird zeigen, welchen Versicherern es gelingt, die Chancen der Erbschaftswelle zu nutzen und gleichzeitig das Risiko Kapitalabfluss auszugleichen.