BU-Versicherung: „Wir brauchen einen radikalen Umbau“

Zu teuer, zu intransparent, zu kompliziert: Es gibt viele Gründe, warum die meisten Deutschen darauf verzichten, ihre Arbeitskraft abzusichern. Was würden Makler konkret ändern, um BU-Versicherungen attraktiver zu machen?

12:05 Uhr | 27. Mai | 2020
Berufsunfähigkeit kann jeden treffen. Dennoch entscheidet sich nur eine Minderheit für entsprechende Absicherung.

Berufsunfähigkeit kann jeden treffen. Dennoch entscheidet sich nur eine Minderheit für entsprechende Absicherung. Bild: Adobe Stock/TATIANA

Würde der Mensch nach rein rationalen Kriterien entscheiden, wäre der Großteil der Deutschen wohl erpicht darauf, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Denn die Fakten sprechen für sich: Ein Unfall, eine Krankheit oder die Folgen psychischer Überlastung können prinzipiell jeden treffen. Und die meisten sind auf ihr Einkommen angewiesen - müssen sie Verluste hinnehmen, kann das schnell existenzbedrohend sein. Die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Krankenversicherung federt das Risiko indes kaum ab, da ihre Leistungen im Durchschnitt unter dem Niveau der Grundsicherung liegen.

Trotz dieser vielfach von Maklern, Versicherern und dem Verbraucherschutz bemühten Argumente gibt es Gründe dafür, dass nur jeder vierte Haushalt hierzulande über eine entsprechende Police verfügt. Welche das sind und wie sich die Versicherung aus Maklersicht verändern müsste, um mehr Menschen zu überzeugen, hat procontra bei Praktikern erfragt.

Das sind die Gründe für mangelnde Attraktivität

Die Ursachen für die nach wie vor unzureichende Durchdringung sind vielfältig. Das nimmt auch der auf das Thema spezialisierte Makler Eckhardt Borchardt wahr. „In meiner Beratungspraxis fällt mir auf, dass wir kaum Interessenten haben, die eine überwiegend körperliche Tätigkeit ausüben. Die Beiträge in der BU sind für diese Personengruppe offenbar nicht attraktiv.“ Borchardt hat zwar in den vergangenen Jahren wahrgenommen, dass die Versicherer ihre Produkte immer weiter verbessert und mit diversen Zusatzoptionen wie der AU-Klausel und dem „Schwere-Krankheiten-Baustein“ versehen haben. Dabei seien jedoch die Berufe, die ein besonders hohes BU-Risiko haben, auf der Strecke geblieben. „Die Hürden, eine BU-Versicherung zu annehmbaren Konditionen zu bekommen, sind hoch“, so Borchardt. „Viele Menschen können aus gesundheitlichen Gründen keine BU abschließen. Sie scheitern an der medizinischen Risikoprüfung.“

Schwierigkeiten an dieser Stelle sieht auch Makler Matthias Helberg: Der aktuell notwendige Aufwand der Recherche der Gesundheitshistorie ist schlicht zu hoch. Auch werde der Bedarf nicht nachvollziehbar genug kommuniziert, bemängelt er. Es gebe zu wenige offizielle Zahlen, wie viele Menschen wirklich zu krank zum Arbeiten werden – und wie viele Menschen einen Nutzen durch ihre BU haben. Das ist vor allem wegen der erheblichen Kosten ein Problem: „Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kostet in der Summe oft so viel wie ein Mittelklasse-Auto. Aber während man sich in das Auto setzen und losfahren kann, hofft man bei der BU ja im Grunde genommen, dass sie nie zum Einsatz kommen muss.“

Helberg stört sich besonders daran, wie ungleich sich die Beiträge auf den Schultern der Versicherten verteilen. „Mit ihrer ausufernden Berufsgruppen-Einteilung schließen die Gesellschaften große Teile der Bevölkerung quasi beitragsmäßig vom Versicherungsschutz aus. Wenn eine Krankenschwester den dreifachen Betrag für die gleiche BU-Absicherung aufbringen soll wie der Arzt, mit dem sie zusammen im OP-Saal arbeitet, muss man sich nicht wundern.“

Diese Klauseln wecken das Unbehagen der Kunden

Im Beratungsgespräch erlebt Borchardt häufig, dass den Kunden vor allem ein Umstand Bauchschmerzen bereitet: Die Befürchtung, dass ihre Angaben bei der medizinischen Risikoprüfung dazu führen, dass sie letztlich nicht versichert werden können. Dabei sei diese oft unbegründet. „In vielen Fällen können wir trotz Vorerkrankungen über Risikovoranfragen sehr gute Ergebnisse erzielen, so dass viele Kunden trotz Vorerkrankungen versichert werden können.“ Abschreckend wirke auf viele Kunden aber auch der Umfang der Aufarbeitung der Gesundheitshistorie und der damit verbundene Arbeitsaufwand – „rund die Hälfte unserer Interessenten sendet die von uns verschickten Fragebögen zum Gesundheitszustand nicht ausgefüllt zurück“.

Matthias Helberg, macht das „Wirrwarr der Klauseln und Formulierungen an sich“ für das mangelnde Interesse verantwortlich. Wenn Kunden das Produkt nicht verstehen, werden sie es nicht kaufen. Ein transparenter Überblick, was die Versicherung in welchen Fällen konkret leistet und was nicht, würde den Vertrieb erleichtern - ist aber derzeit nicht unbedingt gegeben.

Wie es besser geht

An welchen Stellschrauben würden die Makler also ansetzen, um die Hürden für Kunden aus dem Weg zu räumen und um BU-Versicherungen attraktiver und effektiver zu gestalten?

Makler Eckhardt Borchardt würde dafür als erstes das leidige Thema Gesundheitsprüfung anpacken: „Für das Problem der Risikoprüfung wurde bereits die BU mit Wartezeit vorgeschlagen. Für bestimmte Berufsgruppen hatte zum Beispiel die HDI das bereits realisiert, hier gab es fast keine Gesundheitsfragen, dafür eine Wartezeit beim Dualen Modell. Ich halte dies für einen guten Ansatz und würde mir wünschen, dass dieser verstärkt weiter verfolgt werden würde."

Um die BU auch für handwerkliche Berufe attraktiver zu machen, schlägt Borchardt den Ansatz vor, auch solche Tarife zu vermarkten, die nur Basis-Leistungen beinhalten, dafür aber deutlich günstiger sind (z.B. ein BU mit abstrakter Verweisung): "Solche 'abgespeckten' BU-Tarife sind besser als gar keine Absicherung. Aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen haben solche Tarife immer ein schlechtes Image gehabt."

Makler Matthias Helberg ist davon überzeugt, dass es große Änderungen nur durch einen radikalen Umbau geben kann. Dafür gelte es, das Bedingungswerk zu entschlacken und zu vereinfachen, statt sich die nächste „Gänseblümchenklausel“ auszudenken. Außerdem plädiert er dafür, die Unterteilung in Berufsgruppen abzuschaffen, also nach den Unisex-Tarifen „Uniberuf-Tarife“ einzuführen.

Der auf BU spezialisierte Makler Guido Lehberg setzt ebenfalls auf zielgruppengerechte Klauseln und Ausbaumöglichkeiten, um die Tarife attraktiver zu machen. Um einzelne Gruppen gezielt anzusprechen und besser zu erreichen gehörten allerdings dann auch tatsächlich auf Bedarf und finanzielle Mögichkeiten zugeschnittene Angebote - ein „netter Prospekt“ reiche derweil nicht aus.