BU-Serie (IV): Fallen bei BU, AU und KTG umgehen

Langfristig arbeitsunfähig oder schon berufsunfähig? Worauf beim Übergang zwischen Krankentagentagegeld (KTG) und Berufsunfähigkeitsversicherung geachtet werden sollte, ist Thema der Serie mit dem BU-Sachverständigen Bert Heidekamp.

07:08 Uhr | 08. August | 2019
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Grundsätzlich sei positiv zu bewerten, wenn der BU-Versicherer mit dem Leistungsantrag auf AU-Leistungen gleichzeitig auch den BU-Fall prüft, sagt Makler und BU-Sachverständiger Bert Heidekamp. Bild: Pohl

Seit 1999 gibt es festgeschriebene Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit (AU) in den BU-Bedingungen (Condor). „Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis weitere Versicherer AU-Leistungen mitversichert haben“, sagt Versicherungsmakler Bert Heidekamp, zugleich Analyst Sachverständiger für BU-, Unfall- und Pflegeversicherungen. Die Klauseln seien sehr unterschiedlich. Es stellt sich somit die Frage, welche AU-Klauseln die Besten sind.

Heidekamp ist auch Inhaber der Online-Plattform fairtest.de, die Versicherungsbedingungen analysiert und bewertet. Dort werden auch AU-Klauseln mit 15 Fragen und über 50 Qualitätsmerkmalen bewertet. Allerdings bedeute eine gute AU-Klausel nicht automatisch, dass die BU-Bedingungen insgesamt gut sind.

„Wer als Berater mit dem Thema AU-Leistungen leichtfertig umgeht, dessen Kunden könnten insbesondere im Zusammenhang mit Krankentagegeld viel verlieren“, weiß Heidekamp aus Erfahrung. Daher geht es bei der Bewertung der AU-Klausel in BU-Policen auf der Plattform zum Beispiel um die Dauer von AU-Leistungen, die Meldefrist, die Anerkennungsfirst von AU-Bescheinigungen, die Form der Bescheinigungen, den Geltungsbereich, die Art der versicherten Krankheiten, Leistungsdynamikanspruch, Zielgruppen und Ausschlüsse.

Ab sechs Monaten Krankschreibung BU-Fall prüfen

Aktuell wird in Medienberichten darauf aufmerksam gemacht, dass eine Anerkennung der AU-Leistung auch ohne BU-Prüfung günstig sei. Begründung: Dann kann der Versicherte schon bei länger anhaltender Arbeitsunfähigkeit (Krankschreibung) Leistungen aus seiner BU-Versicherung erhalten – ohne wirklich berufsunfähig zu sein. Dies sei eine „verbraucherfreundliche AU-Klausel“. Ist das wirklich so?

„Richtig ist, dass es dann zu einer schnelleren Leistung aus der BU-Versicherung kommt und somit das Risiko von Einkommenslücken kurzfristig reduziert wird“, erklärt Heidekamp. Eventuell sei das aber zu kurz gedacht, denn „grundsätzlich muss positiv bewertet werden, wenn der BU-Versicherer mit dem Leistungsantrag auf AU-Leistungen gleichzeitig auch den BU-Fall prüft“, so der Experte.

Je länger AU-Leistungen fließen und sich dann der Gesundheitszustand bessert, desto schwerer fällt es dem Kunden und seinem Berater, spätere Berufsunfähigkeit nachzuweisen. Die Probleme daraus kennt man aus dem befristeten Anerkenntnis, so Heidekamp.

Ger Kemnitz, Makler und Betreiber der Website BU-Portal24.de, sieht das anders. Eine AU-Klausel sei sehr wohl besonders verbraucherfreundlich, wenn der Kunde für die Anerkennung der AU-Leistung nicht gleichzeitig noch einen kompletten BU-Antrag einreichen muss. "Schließlich handelt es sich hierbei um eine Option", so Kemnitz. Niemand verbiete dem Kunden oder seinem Berater, parallel oder wenig später noch den kompletten BU-Leistungsantrag zu stellen – dann aber ohne zeitlichen Druck und ohne finanzielle Not, denn die Leistungen aus der AU-Klausel fließen ja oder seien bereits beantragt.

AU-Leistung - ein befristetes Anerkenntnis?

Ein befristetes Anerkenntnis wird meist bei einer unklaren BU-Situation vereinbart. Je nach Tarif können vorübergehende BU-Leistungen zwischen 12 bis 36 Monaten vereinbart werden. „Fast jede Gesellschaft bietet ein befristetes Anerkenntnis mit unterschiedlichen Zeitspannen an“, kritisiert Heidekamp. Inzwischen werde überwiegend positiv bewertet, wenn der Versicherer auf ein befristetes Anerkenntnis verzichtet, da der Kunde im Anschluss sonst das Problem hat, den BU-Fall nachweisen zu müssen – genauso wie bei der AU-Regelung.

Man kann in der Regel nicht voraussagen, ob eine künftige Krankheit auch immer auskuriert wird. Denn die Arbeitsunfähigkeit (Krankschreibung) unterscheidet sich von der BU darin, dass die gesundheitliche Einschränkung von vorübergehender Natur ist und die Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit wiederhergestellt ist. Bei einer Berufsunfähigkeit muss auf unabsehbare Zeit (mehr als sechs Monate) eine Erwerbsminderung bestehen.

„Wer längerfristig die Leistung aus einer BU-Versicherung anerkannt haben will, sollte die BU-Prüfung bevorzugen“, rät der Spezialmakler. Ist die BU-Leistung gewährt, kann der Versicherer nur durch eine Nachprüfung die Zahlung einstellen. Die Plattform fairtest.de bewertet aus diesem Grund die gleichzeitige Prüfung von AU und BU-Leistungen positiv. Da ragen laut fairtest.de beispielsweise heraus: Allianz, Condor, HDI.

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Zusammenspiel zwischen Krankentagegeld und AU-Leistung

Beim Zusammenspiel mit Krankentagegeld-Versicherungen (KTG) und AU-Leistungen aus BU-Policen ist laut Heidekamp einiges zu beachten. „Grundsätzlich muss der KTG-Versicherer den BU-Fall beweisen, um seine Leistung einstellen oder den Vertrag kündigen zu können“, stellt der Sachverständige klar. Doch bereits nach sechs Monaten wurde bei einigen ihm vorliegenden Versicherungsfällen die KTG-Police aufgrund vermuteter oder begründeter Berufsunfähigkeit gekündigt. „Für den Kunden kann das katastrophal sein, denn das Gegenteil zu beweisen fällt schwer und endet oft vor Gericht“, so Heidekamp.

Einige Versicherer hätten zudem ihre KTG-Bedingungen zum Nachteil der Versicherten erweitert. Danach reicht eine privat oder betrieblich versicherte BU-Leistung aus, um den KTG-Vertrag zu kündigen. „Der Berater sollte vor Vertragsabschluss die KTG-Bedingungen genau lesen und im Zweifel beim Versicherer dazu anfragen“, rät Heidekamp. Denn die Benachteiligung stehe in den Bedingungen drin. Für fairtest.de erarbeitet der Analyst gerade eine Auswertung mit über 40 Wertungsfragen zum KTG.

Absolut negativ seien Klauseln, die bereits bei Antragstellung auf eine private oder gesetzliche BU/EU-Leistung dem KTG-Versicherer die Kündigung ermöglichen. Es könne sogar noch schlimmer kommen: „Wenn der Kunde eine AU-Leistung auf einem Formblatt des Versicherers beantragt, was auch die BU-Leistungen berücksichtigt, verliert er ab diesem Moment seinen Leistungsanspruch“, sagt Heidekamp, dem dieses Vorgehen auch vom Produktmanagement eines Versicherers bestätigt wurde. „Wenn möglich, sollte der KTG-Tarif gewechselt werden“, empfiehlt der Spezialmakler. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr wechseln kann, habe allerdings Pech.

Mitunter unsichtbare Obliegenheiten

Ein weiteres Risiko im KTG-Vertrag ist, wenn der Kunde seinem Versicherer mitteilen muss, dass er zwischenzeitlich eine BU-Versicherung mit AU-Leistungen abschließt. Heidekamp liegen Antworten von Versicherern vor, die dies verlangen, ohne dass es als Obliegenheit explizit in den KTG-Bedingungen steht. „So etwas geht gar nicht und um solche Anbieter sollte man eher einen Bogen machen“, warnt der Gutachter. Berater, Kunden und Versicherer können diese und andere Detailauswertungen bei fairtest.de einkaufen.

Vermittlerkollegen sollten bei der Auswahl von KTG- und BU-Tarifen auf deren Wechselwirkungen achten und sich gegebenenfalls von den Versicherern Bestätigungen für kundenfreundliche Regulierung einholen, rät der Analyst. Je umfangreicher die BU-Bedingungen, desto mehr Zahnräder greifen ineinander – auch bei der Antragstellung von AU- oder BU-Leistungen. „Wer sich da nicht fit fühlt, könnte dem Kunden schaden und muss später womöglich seine Haftpflichtversicherung bemühen“, ermuntert Heidekamp zu professioneller Recherche und Netzwerkarbeit.

Da Heidekamp selbst bei seinen Kunden auch die Leistungsprüfung begleitet, weiß er um die zahlreichen Fallstricke. „Bereits die bloße telefonische Anmeldung einer BU-Leistung kann zum Beispiel schon ein Fehler sein, wenn der Vertrag keine zehn Jahre alt ist“, sagt der Gutachter.

Die bisherigen Teile der Serie

Zur Chronologie der sechsteiligen BU-Serie: Im ersten Teil ging es am 18. Juli um die innovative Teilzeitklausel, die es Teilzeitbeschäftigten ermöglicht, im BU-Fall faire Leistung zu bekommen. Im zweiten Teil stand am 25. Juli die Kindervorsorge im Mittelpunkt. Teil drei befasste sich am 1. August mit der Beitragsfreiheit der Altersvorsorge im BU-Fall.

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