Unplausible Geschäftsstruktur

Warum beim Göker-Konzept sogar 2.500-Euro-Leads platzen

Seinen Vertriebspartnern verspricht Mehmet Göker schnellen Reichtum. Doch die Entwicklung eines für 2.500 Euro versteigerten Premium-Leads zeigt, welche massiven Schwachstellen sein Konzept aufweist.

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14:12 Uhr | 21. Dezember | 2023
Warum beim Göker-Konzept sogar 2.500-Euro-Leads platzen

In seinem Büro, im 20. Stock des Bay Gate Towers in Dubai, erklärt Mehmet Göker seinen Getreuen, wie die PKV-Tarifwechsel seiner Ansicht nach zu laufen haben.

| Quelle: goeker-konzept.com

Schnellen Reichtum und ein Luxusleben in Dubai – das verspricht Mehmet Göker den Teilnehmern an seinem „Göker-Konzept“. Wie dieses aufgebaut ist und wie Göker es schafft, ohne eigene Vermittlerzulassung in Deutschland PKV-Tarifwechsel zu veranlassen, hat eine procontra-Recherche ausführlich offengelegt. Im Laufe dieser haben wir auch mit mehreren privat Krankenversicherten gesprochen, die von Gökers Leuten angerufen wurden.

Auf seinen Social-Media-Kanälen betont der MEG-Gründer stets, wie hochwertig diese Leads, also die Kontaktdaten der PKV-Kunden und deren Wechselambitionen seien. „Die Leute sind freundlich und dankbar, dass ihr anruft, denn sie wollen lieber heute als morgen ihre Beiträge reduzieren“, bläut er dort potenziellen Vertriebspartnern ein. Diese wiederum legen 10.000 Euro und mehr auf den Tisch, nur um in Dubai an Gökers Seite arbeiten zu dürfen. Schließlich winken ihnen für jeden erfolgreichen Tarifwechsel durchschnittlich 2.100 Euro Honorar – so lautet zumindest das Narrativ. Bei besonders lukrativen Kunden sollen sogar jährliche Einsparungen von über 8.000 Euro möglich sein, was über 5.000 Euro Honorar für den Telefonisten bedeuten würde. Entsprechende Angebote liegen der procontra-Redaktion vor.

Die Ergebnisse unserer Recherche belegen jedoch, dass auch vermeintlich lukrative Leads aufgrund der unlogischen Struktur des „Göker-Konzepts“ schnell misstrauisch werden und den Kontakt abbrechen. Das schmerzt doppelt, denn erstens fließt ohne Tarifwechsel natürlich kein Erfolgshonorar und zweitens müssen die Konzeptteilnehmer neue Leads in der Regel bei Göker nachkaufen. Für die Glücksritter in Dubai und an anderen Standorten kann ihre Investition damit schnell zum Verlustgeschäft werden. Auch ein Insider berichtet uns von einer hohen Fluktuations- sowie Frustrationsrate unter Gökers Jüngern.

Kunde wurde schnell misstrauisch

Ein Beispiel für einen besonders lukrativen Lead, aus dem letztendlich nichts wurde, ist Karl Peters (Name von der Redaktion geändert). Der leitende Angestellte ist mitsamt Ehefrau und Sohn bei der Allianz versichert und bezahlt dort rund 2.000 Euro Monatsbeitrag (Stand: Mai 2023). Göker versteigerte Peters Kontaktdaten unter seinen Anhängern in der internen MEG-Whatsapp-Gruppe, aus der procontra Screenshots vorliegen. Mit der Hoffnung, über Peters an dessen ebenfalls privat krankenversicherten Kollegen heranzukommen, stellte Göker dort eine Verdienstchance von bis zu 50.000 Euro über diesen Lead in Aussicht. Der Zuschlag ging letztendlich für 2.500 Euro an Gökers Vertriebspartner Christian S. Dieser geriet anschließend jedoch schnell an seine Grenzen als auch an die des „Göker-Konzepts“.

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„Ich bin nach den anfänglich freundlichen Telefonaten schnell misstrauisch geworden“, erzählte Peters procontra. Vor etwa drei Jahren habe er sich auf der Internetseite einer Anwaltskanzlei eingetragen, in der Hoffnung, PKV-Beiträge zurückzuerhalten. Im Mai 2023 hatte ihn dann eine Frau angerufen, die ihn fragte, ob dieser Wunsch noch aktuell sei. Ihre Firma habe diese Anfragen von der Kanzlei übernommen und sie würde ihn gerne an einen exponierten PKV-Berater verweisen, erinnert sich Peters. Anschließend habe sich S. telefonisch bei ihm als selbstständiger Sachverständiger für private Krankenversicherungen präsentiert und eine hohe Ersparnis in Aussicht gestellt. Als S. jedoch im darauffolgenden Mailverkehr (liegt procontra vor) die Unterzeichnung eines Auftragsmandats mit Vollmacht für die René Jäger AG von Peters forderte, wurde dieser stutzig. „Er sagte, er ist selbstständig und kennt sich gut mit den Tarifen der Allianz aus. Doch um für mich Angebote zu erstellen, braucht er eine so weitreichende Vollmacht für eine andere Firma? Das kam mir sehr komisch vor“, so Peters.

Als er S. per E-Mail seine Bedenken mitteilt und ihn bittet, ihn nicht mehr zu kontaktieren, bietet dieser ihm an, ihn störende Passagen im Auftragsmandat nach Belieben zu ändern oder auch ganz zu streichen. „Da bin ich dann noch misstrauischer geworden. Denn wer ändert denn sofort auf Zuruf sein Geschäftsmodell?“, teilte uns Peters, selbst erfahrene Führungskraft in einem Wirtschaftsunternehmen, seine Bedenken mit. In der Folge habe er die weiteren Kontaktversuche von S. ignoriert.

„Verband der KV Sachverständigen“ ist weiter aktiv

Als procontra S. nach seinem Vorgehen und seiner Zusammenarbeit mit Mehmet Göker fragt, erhalten wir keinerlei Reaktion. Unter anderem wollten wir von ihm wissen, ob er den geplatzten Super-Lead in seiner Verantwortung sieht oder in den unplausiblen Strukturen des Göker-Konzepts. Schließlich dürfte Peters nicht der einzige für die Gruppe lukrative Privatversicherte sein, der genauere Nachfragen stellt und Informationen miteinander verknüpft. Gökers Vertriebspartner benötigen aber zwingend das Auftragsmandat für einen in Deutschland registrierten Versicherungsvermittler, um die Tür für einen PKV-Tarifwechsel aufstoßen zu können. Dass sie stets auf eine schnelle Unterschrift des Mandats drängen und ohne dieses nichts von ihrem angeblichen Fachwissen preisgeben können, dürfte vielen Menschen unplausibel vorkommen und Misstrauen wecken.

procontra hat S. über die Münchener Telefonnummer in seiner E-Mail-Signatur angerufen, bei der sofort auf die Mailbox umgeleitet wurde. Seine E-Mail-Adresse nutzt die Domain ihr-beitragsoptimierer.de und kam nicht als unzustellbar zurück. Die Mailadressen dieser Domain werden also offenbar weiterhin genutzt. Das ist interessant, weil der PKV-Verband bereits vor einem Jahr Strafanzeige gegen den Betreiber dieser Internetseite gestellt hat und diese in der Folge nicht mehr aufrufbar war.

Beleidigungen statt Antworten

Der Internetseitenbetreiber gab sich als „Verband der KV Sachverständigen“ aus. Zudem bestätigte uns ein anderer Lead-Kunde aus dem Göker-Konzept Ende November, dass er zum wiederholten Male vom „Verband der KV Sachverständigen“ angerufen wurde. Das wiederum ist interessant, da der procontra-Redaktion eine interne Arbeitsanweisung der neuen „MEG“ vorliegt. Darin heißt es, dass die Bezeichnungen „Verband der KV Sachverständigen“ als auch die bisherigen Internetseiten ihr-beitragsoptimierer.de und kv-sachverstaendige.de nicht mehr benutzt werden sollen, da diese nun gebrandmarkt sind und ein schlechtes Licht auf die René Jäger AG werfen würden, über die Göker und seine Leute ihre Tarifwechsel abwickeln. Wirklich umgesetzt wird diese Anweisung aber anscheinend nicht.

Über Instagram und per E-Mail hat procontra bei Mehmet Göker nachgefragt, ob er seine Vertriebspartner über den unplausiblen Aufbau seines Vertriebskonzepts und die für sie damit verbundenen Risiken sowie geringen Erfolgsaussichten aufklärt. Geantwortet hat er uns zwar, allerdings nur mit Beleidigungen.