Folgen des Home Bias

Wahrnehmungsfehler bringt deutsche Anleger um Milliarden

Anleger setzen hierzulande vorrangig auf deutsche Unternehmen und lassen sich so 140 Milliarden Euro Rendite entgehen. Das Gebot der Stunde heißt: Streuung der Investments auf verschiedene Regionen.

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14:03 Uhr | 02. März | 2023
Börsentafel mit deutschen Kursverlusten

Fast acht Mal so hoch ist der Gewinn jener Anleger, die in internationale Aktien investieren. Dennoch setzen deutsche Investoren lieber auf heimische Unternehmen.

| Quelle: Torsten Asmus

Zahlen lügen nicht: Internationale Aktien deutscher Privatanleger haben in einem Zeitraum von fünf Jahren deutlich mehr Rendite eingefahren als es bei deutschen Aktien der Fall war. Fast acht Mal so hoch war der Gewinn jener Anleger, die auf internationale Investments gesetzt haben.

Das Problem: Deutsche Investoren setzen offenbar lieber auf heimische Gefilde – und lassen sich so Milliarden entgehen. Über die Hälfte (52 Prozent) der zwischen 2018 und 2022 getätigten Aktieninvestments ging in die Beteiligung an deutschen Börsenwerten. Auf diese Weise verschenkten die Investoren fast 140 Milliarden Euro an zusätzlicher Rendite, wie eine Auswertung des Whitebox Rendite Radars zeigt.

Der Grund für die auf den ersten Blick schwer nachzuvollziehende Entscheidung liegt im sogenannten Home Bias. Dabei handelt es sich um die Tendenz von Anlegern, den Großteil des Portfolios in den Heimatmarkt zu investieren. Diese Übergewichtung heimischer Anlageklassen kostet Rendite. Und: Die fehlende Streuung begünstigt das Klumpenrisiko.

Von den insgesamt 110 Milliarden Euro, die Anleger in der untersuchten Zeitspanne investiert haben, sind nur 46 Prozent der Aktien von internationalen Unternehmen. Doch gerade sie waren es, die für hohe Renditen sorgten. Die Gesamtrendite pro Jahr lag seit 2018 durchschnittlich bei 11,8 Prozent. Deutsche Aktien dagegen brachten jährlich nur 1,8 Prozent Rendite im Durchschnitt ein.

Trendumkehr während des ersten Pandemie-Jahres

„Deutsche Anleger haben mit ihren Aktieninvestments seit 2018 Kursgewinne von insgesamt 31 Milliarden Euro erzielt. Diese unterteilen sich in Kursgewinne von 62 Milliarden Euro mit ausländischen Titeln und deutsche Aktien mit kumulierten Kursverlusten von 31 Milliarden Euro. Trotzdem bestehen die Depots der Deutschen immer noch zu 54 Prozent aus deutschen Aktien“, kritisiert Salome Preiswerk, Geschäftsführerin und Mit-Gründerin des digitalen Vermögensverwalters Whitebox.

Das war allerdings während der Corona-Pandemie 2020 etwas anders: Damals haben deutsche Anleger fast 50 Prozent mehr in internationale Aktien investiert als in heimische. 2022 drehte sich der Trend wieder um. „Es scheint so, als hätten deutsche Anleger gerade in schwierigeren Marktphasen eine vermeintliche Sicherheit in deutschen Werten gesucht, die es so in den letzten Jahren nicht gab“, vermutet die Whitebox-Chefin.

Hätten Anleger den Anteil heimischer Aktien am Anteil der deutschen Wirtschaft am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (4,4 Prozent) angepasst, hätte die Rendite zwischen 2018 und 2022 bei 216 Milliarden Euro gelegen. „Der Home Bias kostete die Anleger in fünf Jahren also 140 Milliarden Euro an Rendite“, so Preiswerk.