Anschlussfinanzierung

„Bauzinsen sind immer noch relativ niedrig“

Wie sollen Immobilienfinanzierer auf die steigenden Bauzinsen reagieren? Ist in der aktuellen Situation eine Umschuldung sinnvoller als eine Prolongation? Darüber sprach procontra mit Ingo Vaartmann, Spezialist für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Leer und Emden.

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13:11 Uhr | 28. November | 2022
Vaartmann Bild: privat

Über Anschlussfinanzierungen in Zeiten hoher Hypothekenzinsen sprach Baufinanzierungsspezialist Ingo Vaartmann mit procontra. Bild: privat

procontra: Wann sollten sich Kreditnehmer mit dem Thema Anschlussfinanzierung beschäftigen?

Ingo Vaartmann: Ich empfehle Darlehensnehmern, sich spätestens drei Jahre vor Ablauf der ersten Zinsbindung damit zu beschäftigen. So bleibt ihnen genug Zeit, den Markt zu beobachten und zur richtigen Zeit die Anschlussfinanzierung auf den Weg zu bringen.

procontra: Ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt für eine Anschlussfinanzierung?

Vaartmann: Für viele Immobilienbesitzer ja. Im Vergleich zum Stand vor 15 oder 20 Jahren sind die Baufinanzierungszinsen noch immer relativ niedrig. Vor 15 Jahren, im November 2008, lagen die Bauzinsen bei 4,70 Prozent – deutlich höher als jetzt. Insofern ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt für die Anschlussfinanzierung. Tendenziell rechnen wir mit weiter steigenden Zinsen. Gegebenenfalls kann auch ein Vorausdarlehen sinnvoll sein, wenn die Anschlussfinanzierung noch nicht fällig ist. Gegen einen Aufschlag von zirka 0,15 Prozent im Jahr können Darlehensnehmer sich das jetzige Zinsniveau für die zukünftige Anschlussfinanzierung sichern.

procontra: Wie begründen Sie Ihre Prognose weiter steigender Hypothekenzinsen?

Vaartmann: Ich gehe davon aus, dass die EZB aufgrund der Inflationserwartungen den Leitzins noch weiter erhöhen wird. Die EZB muss voraussichtlich auch im nächsten Jahr noch beherzt an der Zinsschraube drehen, und da ist noch nicht alles am Finanzierungsmarkt eingepreist. Das bedeutet: Die Bauzinsen werden weiter steigen.

procontra: Was sollten Kreditnehmer sonst noch beim Thema Anschlussfinanzierung beachten?

Vaartmann: In Vorbereitung auf die Anschlussfinanzierung sollten Darlehensnehmer einen Kassensturz machen: Was hat sich auf der Einkommensseite verändert, ist die finanzielle Situation eine andere als bei der Erstfinanzierung? Je nach Ausgangslage lohnt es sich, die Monatsrate und den Tilgungssatz zu erhöhen, oder auch nochmal Eigenkapital einzubringen und so die Restschuld zu verringern.

procontra: In welcher Situation wäre eine Umschuldung sinnvoller als eine Prolongation?

Vaartmann: Es lohnt sich immer, rechtzeitig Angebote für die Anschlussfinanzierung einzuholen, um zu vergleichen und nicht nur auf das Angebot zur Prolongation von der Hausbank zu warten. Ein Wechsel ist in den meisten Fällen sinnvoll, da das Angebot für die Anschlussfinanzierung der Hausbank oft schlechtere Konditionen bietet als die der Wettbewerber. Außerdem wirkt sich eine Neubewertung der Immobilie bei einer Umschuldung häufig günstig aus. Zwar fallen bei einer Umschuldung Grundbuch- und Notarkosten an. Allerdings spielen sich diese Gebühren durch den Zinsvorteil der neuen Finanzierung in der Regel zügig wieder rein. Und: Viele Banken übernehmen die anfallenden Wechselkosten.