Gesetzliche Rente für Beamte – Rettung oder Risiko für das Sozialsystem?
Beamte gehören in die RentenversicherungJoachim Rock
Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - Gesamtverband e.V. (Der Paritätische)
Bundesarbeitsministerin Bas hat eine überfällige Debatte zur Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die Rentenversicherung angestoßen. Das Ziel ist richtig, denn das bisherige System weder legitimations- noch zukunftsfähig.
Ungleichbehandlung birgt sozialen Sprengstoff
Vergleicht man zum Beispiel die Alterssicherungsansprüche von selbstständigen, angestellten und verbeamteten Lehrkräften, stößt man trotz vergleichbarer Tätigkeit auf frappierende Unterschiede. Die durchschnittlichen Ruhegehaltsbezüge auf Länderebene betrugen 2024 3.750 Euro bei den Männern und 3.080 Euro bei den Frauen. Dagegen betrug die Altersrente zum Jahresende 2023 im Schnitt nur 1053 Euro in West- und 1.303 Euro in Ostdeutschland. Beamte erreichen zudem nach fünf Jahren Anspruch auf ein Mindestruhegehalt, eine Mindestrente gibt es dagegen nicht. Ein direkter Systemvergleich verbietet sich zwar, u.a. weil Versorgungsempfänger im Schnitt höher qualifiziert sind. Es verbleibt dennoch eine Ungleichbehandlung, die wachsenden sozialen Sprengstoff birgt.
Alle zukünftig neu in das Beamtenverhältnis eintretenden Beschäftigten sollten deshalb in die Rentenversicherung einbezogen werden. In einem langen Übergangszeitraum, der bis 2080 noch nicht abgeschlossen sein wird, führen ihre Beiträge zu deutlichen Mehreinnahmen, während Leistungsansprüche erst deutlich später anfallen. Dadurch steigen die Beitragssätze für alle deutlich langsamer, die Effekte auf das Rentenniveau sind positiv. Beides wirkt sich fördernd aus auf die Beschäftigung und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.
Ein Gewinn für alle
Das trägt dazu bei, die Sondersituation des Renteneintritts der geburtenschwachen Jahrgänge kompensieren zu helfen. Mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsrenze bei gleichzeitiger Abflachung der Äquivalenz ab einer bestimmten Einkommensgrenze kann ein darüberhinausgehender Beitrag geleistet werden, um die Solidarität in der Alterssicherung zu stärken. Das wäre ein Gewinn für alle.
Eine mildere Alternative ohne Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte wäre die Gründung einer eigenen Rentenkasse, in der Beamte nach den Konditionen der Rentenversicherung abgesichert würden, und die es erlauben würde, aus den laufenden Beitragszahlen auch Ansprüche der aktuell Versorgungsbeziehenden zu begleichen. Das Beispiel Österreich zeigt, wie eine solche Reform erfolgreich gelingen kann.
Es ist Zeit, mit dem Umsteuern anzufangen
Die Fortschreibung des Mehrklassensystems der Alterssicherung ist keine Alternative, denn das Pensionssystem wird vom demographischen Wandel voll erfasst. Schon jetzt umfassen die künftigen Pensionsverpflichtungen ca. zwei Billionen Euro, die von den künftig Steuerzahlenden zu finanzieren sind. Das schränkt die Investitions- und Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Haushalte massiv ein. Die Sozialversicherten zahlen dabei doppelt, für Ihre Altersvorsorge und die der Versorgungsbeziehenden. Das notenwendige Umsteuern braucht Jahrzehnte. Es ist Zeit, damit anzufangen!
Eine Einheitsversicherung ist keine LösungUlrich Silberbach
Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbund und Tarifunion
Diskussionen über Pensionen werden schnell unsachlich, weil viele Mythen im Umlauf sind. Eine Einheitsversicherung bei der Rente ist keine Lösung, obwohl das immer wieder behauptet wird.
Für Beamtinnen und Beamte stellt ihr Alterssicherungssystem einen herausragenden Bestandteil ihrer Beschäftigungsbedingungen dar. Rechtlich gesehen ist es ebenso wie die Besoldung ein Teil der durch das Grundgesetz garantierten Versorgung von Staatsbediensteten. Trotzdem ist es oft Gegenstand von unsachlichen Behauptungen oder wird sogar ganz in Frage gestellt. Angesicht der finanziellen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wird etwa gerne die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten als Rettung angepriesen. Entsprechend hat sich auch die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas jüngst geäußert.
Systemumstellung wäre mit enormen Kosten verbunden
Forderungen nach einer solchen Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage. Unter anderem deshalb, weil die damit verbundenen Hoffnungen auf Einnahme-Steigerungen und Ausgaben-Einsparungen gar nicht erfüllbar sind. Eine Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die GRV hätte vielmehr zur Folge, dass die Dienstherren den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung zusätzlich zu tragen hätten und zugleich die Bruttobezüge der Beamtinnen und Beamten im Hinblick auf eine Beitragspflicht angehoben werden müssten. Somit wäre eine Systemumstellung insgesamt mit enormen Kosten verbunden. Woher das Geld dafür gerade jetzt kommen soll, sagen die Befürworter einer Einheitsversicherung nicht.
Wer zahlt, hat auch Anspruch auf Leistungen
Zur Wahrheit gehört außerdem: Wer einzahlt, hat auch Anspruch auf Leistungen. Beamtinnen und Beamte sind im Schnitt gut ausgebildet, haben wenig bis keine Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie und eine hohe Lebenserwartung.
Deshalb schrieb die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ bereits im Jahr 2020 in ihren Bericht, dass „den zunächst entstehenden finanziellen Entlastungen der Rentenversicherung langfristig hohe zusätzliche Rentenleistungen gegenüberstehen würden, die die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich eher erschweren würden. Zusätzlich zur Zahlung der bestehenden Beamtenpensionen müssten die öffentlichen Arbeitgeber sowohl die Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen als auch hohe Beiträge für die betriebliche Altersversorgung aufwenden. Aus verfassungsrechtlich hergeleiteten Gründen (Alimentationsprinzip) müsste neben der ersten auch die zweite Säule der Alterssicherung abgedeckt werden, um ein ähnliches Versorgungsniveau zu erreichen.“ Diese Sätze sind weiterhin aktuell.
Wir als dbb sagen nicht nur deswegen: Die eigenständigen Alterssicherungssysteme müssen erhalten und systemkonform weiterentwickelt werden!
Pro | Contra |
Soziale Gleichbehandlung | Hohe Kosten durch Systemumstellung |
Nachhaltige Stabilisierung des Systems | Leistungsansprüche steigen langfristig |
Entlastung der öffentlichen Haushalte | Verfassungsrechtliche Vorgaben |