Jahresbericht des Versicherungsombudsmanns

Erstmals Beschwerden über Abschlusskosten bei Riestersparplänen

Insgesamt haben sich 2023 deutlich mehr Menschen über Versicherungsunternehmen beschwert als noch 2022. Bei Beschwerdekönigin Lebensversicherung werden 2023 erstmals Abschlusskosten bei Riestersparplänen beanstandet. Die Erreichbarkeit bleibt ein Thema.

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11:05 Uhr | 15. Mai | 2024
Constantin Graf von Rex (links) und Wilhelm Schluckebier

Der ehemalige Versicherungsombudsmann Wilhelm Schluckebier (rechts) hat die Beschwerdezahlen für das Jahr 2023 noch ein letztes Mal gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Vereins Constantin Graf von Rex vorgestellt. Die neue Ombudsfrau für Versicherungen, Dr. Sibylle Kessal-Wulf, tritt seine Nachfolge an.

| Quelle: Dietmar Gust

Zum letzten Mal, bevor seine Nachfolgerin Ombudsfrau Dr. Sibylle Kessal-Wulf übernimmt, hat Wilhelm Schluckebier den Jahresbericht des Versicherungsombudsmanns vorgestellt. Zu Beginn erlaubte er sich dabei eine Randbemerkung: Der Ton, den die Kunden gegenüber der Beschwerdestelle anschlagen, sei in den vergangenen 5 Jahren nach seinem Amtsantritt deutlich rauer geworden. Dieses gesamtgesellschaftliche Problem erlebe er als besorgniserregend.

Im Jahr 2023 erreichten die Schlichtungsstelle insgesamt 18.037 Beschwerden. Diese Zahl lag im Vorjahr noch bei 15.907. Das entspricht einer Zunahme um 13,4 Prozent. Diese Entwicklung setzt sich im ersten Quartal 2024 fort mit einem Anstieg der Beschwerden um 13,3 Prozent. Bei Beschwerden gegen Versicherungsvermittler ist der Trend genau umgekehrt und zeigt eine erneute Verringerung um 28,4 Prozent auf insgesamt 318.

Die Zunahme von Schlichtungsanträgen gegen Versicherer 2023 betraf fast alle Sparten. Besonders starke Zuwächse verzeichneten bei den zulässigen Beschwerden die Kfz-Versicherungen (Kfz-Haftpflicht + 27 Prozent, Kfz-Kasko + 30 Prozent), die Hausratversicherung (+ 20 Prozent), die Allgemeine Haftpflichtversicherung (+  22 Prozent) und die „sonstigen Versicherungen“ (+ 20 Prozent, dazu gehören u. a. Elektronik-, Tierkranken- und Reiseversicherung) sowie die Unfallversicherung (+ 39 Prozent).

Erreichbarkeit und Schadenregulierung bei Versicherern

Nach Angaben von Schluckebier haben 2023 die Beschwerden darüber zugenommen, dass Versicherer nicht erreichbar waren oder die Schäden nicht zeitnah reguliert wurden. An die Fristen des Versicherungsombudsmannes wurde sich aber größtenteils gehalten. Auch stelle Schluckbier Verbesserungen auf Seiten der Versicherer fest. Es handele sich um ein branchenweites Problem, an dem die Versicherer arbeiteten und was stark mit dem vorherrschenden Fachkräftemangel zusammenhinge. Als ursächliche Gründe nannten die Versicherer häufig ein erhöhtes Arbeitsaufkommen (auch wetterlagenbedingt) sowie Personalmangel. Im Rahmen des Ombudsmannverfahrens konnten dann in der Regel aber offene Fragen geklärt werden. Auch nahmen einige Versicherer das Verfahren zum Anlass, einen Vorgang abschließend zu bearbeiten und – sofern im Einzelfall möglich – eine Schadenregulierung vorzunehmen. In der Regel halfen die Versicherer den Beschwerden in diesen Konstellationen ab.

Weniger gute Erfolgsquoten bei Lebensversicherungen

Die Erfolgsquote der Schlichtungsanträge bei Unternehmensbeschwerden lag in der Lebensversicherung bei 35 Prozent, bei den anderen Sparten insgesamt bei 50,8 Prozent und ist damit nochmals leicht angestiegen. Dr. Schluckebier führte aus, dass auch im letzten Jahr in der Lebensversicherung die Fälle des Widerspruchs oder des Widerrufs von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen für die Beschwerdebearbeitung prägend waren.

Abschlusskosten bei Banken-Riestersparplänen

In 2023 traten erstmals Beanstandungen der Abschlusskosten für die im Anschluss an Riesterbanksparpläne von Banken oder Sparkassen abgeschlossene Rentenversicherungsverträge auf. Bei diesen würden zum Eintritt in die Auszahlungsphase Abschlusskosten vom Kapital abgezogen, welche manche Kunden aber als relativ hoch empfinden würden.

Rechtsschutz bei Social Media

In der Rechtsschutzversicherung verlangten häufiger Nutzer von Social-Media-Plattformen Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Schadenersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen, nachdem es bei den Plattformbetreibern zu Datenlecks gekommen und ihre persönlichen Daten in fremde Hände geraten waren.

Häufiger Versichererwechsel bei Kfz nicht immer zielführend

Weiter teilte Schluckebier mit, dass in den Kfz-Versicherungen häufige Versichererwechsel, die offenbar wegen der Schnelllebigkeit dieses Bereiches und der Beliebtheit von Vergleichsportalen zunehmen, wieder viele Unklarheiten im Zusammenhang mit der Einstufung in Schadenfreiheitsklassen und der Übertragung der Einstufung auf einen nächsten Versicherer zur Folge hatten. Hier können Versicherungsmakler Beratungsarbeit leisten.

Bei Einbruchdiebstählen höchste Beschwerderate seit 2018

In der Gebäudeversicherung machten wiederum Sturm-, Leitungswasser- und Rohrbruchschäden sowie Elementarschäden den größten Anteil der Beschwerden aus. In der Hausratversicherung lag der Schwerpunkt wie in den Vorjahren bei Einbruchdiebstahlschäden und Schäden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser.

Versicherer müssen Ausschlussklauseln bei Phishing nachbessern

Stark zugenommen haben erneut Beschwerden in sogenannten Phishing-Fällen. Die Methoden der Täter werden immer raffinierter. Dem werden ältere Versicherungsbedingungen mit ihrer Beschreibung des Leistungsumfangs und der Formulierung etwaiger Ausschlussklauseln oft nicht gerecht. Hier zeige sich, dass die bei Vertragsschluss vereinbarten Bedingungen von den Kunden und in der Beratung daraufhin überprüft werden sollten, ob sie noch zeitgerecht seien.

Beschwerden bei Tierkrankenversicherung nahezu vervierfacht

Auch zur Privat- und zur Tierhalterhaftpflichtversicherung haben sich die Schwerpunkte der Fallbearbeitung gegenüber den Vorjahren ebenfalls nicht wesentlich verändert. In der Tierkrankenversicherung hat sich im letzten Jahr die Zahl der Beschwerden stark erhöht.

Reisekrankenversicherung

Nach dem Abklingen der Corona-Pandemie machte sich in der Reiseversicherung bemerkbar, dass wieder mehr gereist wird. Im Zentrum standen die Fragen, ob dem Reiserücktritt oder Reiseabbruch ein versichertes Ereignis zugrunde lag (zumeist eine unerwartete schwere Erkrankung) und ob die Stornierung der Reise unverzüglich nach Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt war. Die hohe prozentuale Zunahme von Beschwerden in der privaten Unfallversicherung (+39 Prozent gegenüber 2022) ging nicht auf Sondereffekte zurück. Deshalb besteht Grund zu der Annahme, dass während der Corona-Pandemie die Menschen weniger aktiv waren und sich seltener unfallträchtigen Risikosituationen aussetzten. Das hat sich nun wieder geändert. Deshalb stieg die Beschwerdezahl wieder in Richtung auf früher bekannte Größenordnungen an.