„Langfristig macht nur eine Pflegezusatzversicherung Sinn, die Altersrückstellungen bildet"

Verbraucherschützer bemängeln in der Pflegezusatzversicherung Beitragserhöhungen von aktuell bis zu 110 Prozent. Wie lassen sich solche Preissprünge für Neu- und Bestandskunden vermeiden? Wir fragten den auf Pflegeschutz spezialisierten Makler Christian Jansen.

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14:07 Uhr | 13. Juli | 2020
Christian Jansen hat sich als Versicherungsmakler auf die verschiedenen Aspekte der Pflegeversicherung spezialisiert.

Christian Jansen hat sich als Versicherungsmakler auf die verschiedenen Aspekte der Pflegeversicherung spezialisiert. Bild: Christian Jansen

procontra: Anlässlich der teilweise hohen Beitragsanpassungen (BAP) bei Pflegetagegeld-Policen raten Verbraucherschützer den Menschen zu prüfen, ob sie überhaupt eine private Pflegezusatzversicherung benötigen. Für wen, glauben Sie, ist eine solche Police sinnvoll?

Christian Jansen: Diese Frage zu pauschal zu beantworten birgt gewisse Gefahren für die Verbraucher. Der Sinn einer Versicherung ergibt sich immer erst aus einer genauen Analyse der aktuellen Familiensituation sowie den persönlichen Wünschen der zu versichernden Personen und gegebenenfalls der nahen Angehörigen. Es müssen beispielsweise folgende Fragen geklärt werden. Wer würde mich pflegen wollen beziehungsweise können? Ist mein Wohnumfeld altersgerecht gestaltet? Wie viel Kapital steht mir und meiner Familie im Pflegefall, unter Berücksichtigung aller bestehenden Versicherungen, Geldanlagen und gesetzlichen Leistungen, voraussichtlich zur Verfügung? Wer haftet finanziell für mich? Diese und weitere kleine Puzzleteile in Form von Fragen ergeben später ein Gesamtbild, welches die Frage bezüglich einer Sinnhaftigkeit konkret beantwortet. Der Abschluss einer solchen oder ähnlichen Versicherung darf nicht überstürzt und ohne kompetente Beratung geschehen, da dieser Schutz einen bis in den Tod begleiten sollte und natürlich zudem bezahlbar bleiben muss. Es kann generell nicht schaden sich einmal über das Thema Pflege Gedanken zu machen. Die Unvorbereiteten trifft es immer am härtesten.  

procontra: Wenn Verbraucher eine private Pflegezusatzversicherung abschließen möchten, worauf sollten sie achten, um in Zukunft keinen hohen BAP ausgesetzt zu sein?  

Jansen: Der Verbraucher kann in diesem komplexen Bereich meiner Meinung nach keine vernünftige, auf die Zukunft ausgerichtete Kaufentscheidung allein treffen. Hier gehört mehr dazu als eine oberflächliche Leistungsgegenüberstellung der einzelnen Versicherungsprodukte. Zudem gibt es eine große Zahl an Versicherungsgesellschaften. Marktüberdurchschnittliche Produktleistungen sind auf den ersten Blick super, bergen auf der anderen Seite aber die Gefahr, den Versicherer im Leistungsfall sehr viel Geld zu kosten. Das wirkt sich natürlich nachteilig auf die Versichertengemeinschaft und infolgedessen auf die Versicherungsbeiträge aus. Es entstehen Beitragsanpassungen. Deshalb sollte jedes Produkt anhand der Versicherungsbedingungen beurteilt werden.

procontra: Worauf kommt es dabei an?

Jansen: Einen Eisberg in der Antarktis beurteilt man schließlich auch nicht an der Wasseroberfläche, da unter Wasser erst das gesamte Ausmaß zu erkennen ist. So verhält es sich auch mit Leistungsversprechen aus Verkaufsflyern und Versicherungsbedingungen. Und jetzt kommt es zu dem wirklich schwierigen Teil der Aufgabe. Die Beurteilung der Qualität einer Versicherungsgesellschaft anhand der RfB-Quote, Eigenkapitalquote und zahlreichen weiteren Kriterien. Denn diese Daten können einen Hinweis darauf geben wie sich der zukünftige Beitrag bei einer Gesellschaft entwickelt. Langfristig betrachtet macht es nur Sinn, eine Zusatzversicherung abzuschließen, die Altersrückstellungen bildet. Generell aber dürfen wir über eines nicht hinwegtäuschen. Ganz ohne Beitragsanpassungen kommt eine Krankenversicherung nicht aus. Mein Tipp: Verbraucher sollten einen unabhängigen Versicherungsberater, Honorarberater oder Versicherungsmakler fragen, der nicht an eine einzelne Versicherungsgesellschaft gebunden ist und sich im besten Fall sogar auf das Thema der privaten Pflegeversicherung spezialisiert hat.  

procontra: Und wenn man schon Bestandskunde ist: Wie kann man die hohen BAP abmildern?  

Jansen: Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, dann hilft nur paddeln. Man sollte sich in diesem Fall sofort mit seinem Berater oder der Versicherungsgesellschaft in Verbindung setzen und ein offenes Gespräch führen! Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Man hat in der Regel die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag an die finanzielle Situation anzupassen. Dieses kann in Form, eines Tarifwechsels, einer Reduzierung des Pflege-Tagegeldsatzes oder durch Löschung von Zusatzbausteinen geschehen. Wenn ich durch die Beitragsanpassung nur vorübergehend in finanzielle Not gerate, dann kann auch bei manchen Gesellschaften eine kurzzeitige Ruhendstellung der Leistung und des Beitrages vereinbart werden.

Diese Wege können allerdings auf lange Sicht nicht zielführend sein, da der bestehende Schutz ja den aktuellen Bedarf des Kunden deckt. Man geht also in eine Unterversicherung wo der Nutzen des Vertrages dann wieder in Frage steht. Spätere Dynamikerhöhungen oder Nachversicherungsoptionen könnten den Schutz über einen langen Versicherungszeitraum wieder auf die alte Tagessatzhöhe anpassen. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass im Alter plötzlich mehr Geld zur Zahlung der Versicherungsbeiträge zur Verfügung steht. Es ist eher umgekehrt der Fall. In manchen Fällen kann man nur noch die Notbremse, in Form einer Kündigung mit anschließendem Versichererwechsel, ziehen, um weiterhin vom Schutz einer Versicherung zu profitieren. Eine Kündigung sollte aber gut überlegt sein, denn ein Versichererwechsel ist unter anderem mit neuen Gesundheitsfragen verbunden, die einer Aufnahme in einen neuen Vertrag im Wege stehen können!