Zielgruppe Influencer

Spagat zwischen Cyber-Mobbing und virtuellem Ninjaschwert

Die Influencer- und Blogger-Szene wächst rasant. Doch der Versicherungsschutz ist diffizil, denn die Grenzen zwischen privater und gewerblicher Content-Produktion sind fließend. Wie erreichen Makler die Zielgruppe?

Author_image
14:11 Uhr | 29. November | 2022
Ninja Bild: rudall30

„Mitunter werden virtuelle Ninja-Schwerter gekauft, die schon mal 300 bis 600 Euro kosten können“, sagt Makler Kersten Jodexnis, der sich auf E-Gamer und E-Sportler fokussiert hat. Bild: rudall30

Für den Soundtrack im Videospiel-Stream wurden die Urheberrechte nicht gekauft. Die Leder-Handtasche wird im YouTube-Video fälschlicherweise für 9,90 Euro angeboten – der tatsächliche Preis liegt jedoch bei 99 Euro. Und die im Blog angepriesene Bräunungscreme hat beim Model eine kostenintensive allergische Reaktion verursacht. Wer für Produktplatzierungen in Internet-Posts und YouTube-Videos Geld kassiert oder Gema-verifizierte Songs unrechtmäßigerweise verwendet, landet schnell in der Haftungsfalle: Falsche oder fehlende Kennzeichnungen und Verletzungen des Urheberrechts können mitunter fünfstellige Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.

Sich mit Blogs oder YouTube-Videos einen Bekanntheitsgrad verschaffen – das rückt nicht nur in der Altersgruppe 20 plus immer mehr in den Fokus. Für Makler sind die sogenannten „Online Creators“ eine Zielgruppe mit hohem Wachstums- und Cross-Selling-Potenzial. Und laut einer aktuellen Statista-Prognose wird die Influencer-Reichweite in Deutschland weiter zunehmen: von 2018 bis 2026 um schätzungsweise 54 Prozent. Rund 4,6 Millionen Konsumenten gelten laut Wikipedia in Deutschland derzeit als Influencer.

Selten Start mit unternehmerischem Ansatz

Doch ab welchem Zeitpunkt ihrer Online-Tätigkeit sollten sich Influencer, YouTuber und Co. gewerblich absichern? In welchen Punkten reicht der private Versicherungsschutz? Und wie erreichen Makler die Zielgruppe? Der Berliner Vermittler Micha Schrammke versichert mit seinem Maklerbüro Gamesurance das Segment der Spieleentwickler, Content Creator, E-Gamer und Influencer. Die Unterscheidung zwischen einer privaten und einer gewerblichen Tätigkeit – dies sei eine der größten Herausforderungen bei der Beratung dieser Kundengruppe, sagt er. Denn die Grenzen sind fließend. „Die wenigsten Blogger oder YouTuber starten mit einem unternehmerischen Ansatz“, erklärt Schrammke und ergänzt: „Stattdessen wachsen sie allmählich in das Business rein und irgendwann wird daraus vielleicht ein zusätzlicher Broterwerb.“ 

Kunden rät er deshalb, mit ihren Versicherern zu bereits bestehenden Verträgen Rücksprache zu halten und zu fragen: Welche Schäden decken die privaten Policen noch ab? Welche Einkommensgrenze markiert den Übergang zum selbstständigen Nebenerwerb, so dass eine gewerbliche Deckung nötig wird? „Für die meisten Versicherer ist die Kleinunternehmerregelung die Grenze“, sagt Schrammke. So würden viele Versicherer Schäden bis zu einer zusätzlichen jährlichen Einkommensgrenze von 16.000 Euro noch mitversichern. Springt durch die YouTube-Clips und Blog-Posts mehr Geld raus, wird eine gewerbliche Absicherung nötig. „Das Thema Versicherung ist auch eine wirtschaftliche Frage: Ab wann gibt es das Budget her, eine selbstständige Haftpflicht neben die private zu stellen?“, führt der Spezialmakler weiter aus.  

Die Urheberrechtsverletzung gehört zu den häufigsten Schäden im Bereich der YouTube- oder Blogger-Tätigkeit. Auf dieses Risiko weist auch der Spezialversicherer Hiscox hin. Er hat seit mehreren Jahren eine spezielle Bloggerversicherung im Angebot, die aus mehreren Modulen besteht und sich so auf die jeweiligen Bedürfnisse der online Publizierenden abstimmen lässt. Basis-Modul der Police ist die Berufs- beziehungsweise Vermögensschadenhaftpflicht, mit Hilfe derer Blogger oder Influencer gegen Vermögensschäden Dritter abgesichert sind. Daneben gibt es die Zusatz-Module Betriebshaftpflicht-, Cyber- und Sachversicherung. Letztere beinhaltet die Absicherung des technischen Equipments – Laptop, Kamera oder Arbeitshandy zum Beispiel.

Fünfstellige Forderungen für Promi-Fotos

Die häufigsten Fehltritte, die im Bereich der Online-Publikation gemacht werden, sind laut Portfolio Underwriting Manager Ulrich Herz nicht mit dem jeweiligen Urheber gekennzeichnete Fotos. Dabei könnten Bilder von Prominenten, die ohne Nennung der Bildrechte veröffentlicht werden, Schadensersatzforderungen im vier- oder fünfstelligen Bereich nach sich ziehen. Und wenn Finanz-Blogger mit falschen Zahlen operieren, gebe es schnell Unterlassungsklagen, fügt Herz hinzu.  

Das Risiko eines Hackerangriffs – ebenfalls durch die Hiscox-Police abgesichert – bewertet Makler Micha Schrammke dabei als gering. „Nur wenige Kunden verfügen über Projektdaten, die gehackt werden können, oder besitzen Personendaten, die abgezogen werden können“, erklärt er. Das Szenario einer Cyberattacke sei bei der typischen Größe von YouTubern und Streamern kein großes Thema. Als wesentlich wichtiger stuft der Experte eine „gute Rechtschutzpolice“ ein. Sie solle spätestens dann in Erwägung gezogen werden, wenn der „Content Creator“ mit Agenturen zusammengearbeitet und die ersten dezidierten Werbekunden auf der Bildfläche erschienen.

Alexander Teßmann, der als „Versicherungsgeek“ die YouTuber- und Gamer-Szene berät, räumt ebenfalls dem Rechtsschutz höchste Priorität ein. Er sieht jedoch nicht so sehr Urheberrechtsverletzungen als Problem an, da viele Versicherer dieses mitunter extrem kostspielige Risiko von Vornherein nicht zeichnen würden. Ein höheres Schadenaufkommen entstehe im Bereich des Cybermobbings. „Wenn Teile einer Community sogenannte Hate Speech benutzen, den YouTuber angreifen und dieser sich dann emotional vielleicht nicht unter Kontrolle hat, landet man schnell im Strafrecht und im Bereich der Verleumdung“, erklärt Teßmann. Inhalts- und Elektronikversicherungen würden hingegen obligatorisch, sobald der erste Cutter eingestellt ist.  

Virtuelle Güter mitversichern

Aus Sicht von Kersten Jodexnis ist auch das Segment der E-Gamer und E-Sportler ein prosperierendes Beratungsfeld. Jodexnis versichert mit seinem Maklerbüro Insurninja die Kundengruppe der Online-Spieler. Geschätzte drei Millionen E-Gamer gebe es bundesweit, sagt er. Unter ihnen würden sich rund 300.000 befinden, die versuchen, aus dem Hobby Geld zu schlagen. Doch da gerade auch die Hobby-Spieler in den meisten Fällen ein umfangreiches Equipment besitzen – hochwertige, wassergekühlte Computeranlagen, zwei bis drei Monitore beispielsweise – sei auch hier ein spezieller Versicherungsschutz anzuraten. Als unumgänglichen Baustein empfiehlt Jodexnis die Elektronikversicherung. Da die Zielgruppe häufig zudem imaginäre Güter erwerbe, könnten diese in den Versicherungsumfang mit aufgenommen werden. „Da werden mitunter virtuelle Ninja-Schwerter gekauft, die schon mal 300 bis 600 Euro kosten können“, erläutert der Makler. Und diese auf der Festplatte hinterlegten Güter seien durch PC-Crashs oder Bugs entsprechend gefährdet.

„Sei Teil deiner Zielgruppe. Dann verstehst du die Probleme der Zielgruppe.“ Nach diesem Motto verfährt Teßmann bei der Beratung. Micha Schrammke hält es ähnlich. „Es hilft, eine gemeinsame Sprache zu sprechen“, sagt er. Trotzdem müsse man kein Angler sein, um Angler zu versichern. Bei der Beratung von Influencern, YouTubern und Co. laufe viel über persönliche Netzwerke, über Direktansprache, die „klassischen Wege“.

Nach Schätzung von Alexander Teßmann könne im Schnitt einer von 10.000 Bloggern von seiner Tätigkeit leben. Beratungs- und Versicherungsbedarf hat der große Rest aber trotzdem. Denn ob aus privatem Interesse oder aus einer gewerblichen Absicht heraus Blogs beschrieben und Videos gedreht werden – Versicherungsschutz ist in beiden Varianten unerlässlich.