Zielgruppe Beamte: Höchster Treuebonus in der Branche
Die Berufsgruppe der Staatsdiener hat es in der Öffentlichkeit nicht leicht. Zahlreiche Beamtenwitze zeugen davon, dass die üblichen Klischees vom trägen, arbeitsscheuen und vollversorgten Beamten nur schwer auszurotten sind. Dabei erfüllen Richter, Finanzbeamte, Zollbeamte, Polizisten und Justizvollzugsbeamte wichtige gesellschaftliche und hoheitliche Aufgaben. Wer eine Tätigkeit im gehobenen Dienst anstrebt, benötigt ein anspruchsvolles duales Diplom-Studium zum Finanzwirt oder der Verwaltungswirtschaft.
In Deutschland sind rund 4,7 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt, davon arbeiten rund 1,8 Millionen Menschen im Beamtenstatus. Ihr Arbeitgeber ist entweder eine Behörde der Bundesrepublik oder der einzelnen Bundesländer und Kommunen. Eine übliche Laufbahn folgt diesen Stationen: Studierende erhalten den Status „Beamter auf Widerruf“. Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr und nach bestandener Laufbahnprüfung werden sie zwei Jahre lang „Beamter auf Probe“, danach können sie auf Lebenszeit verbeamtet werden.
Für Versicherungsvermittler gilt diese Zielgruppe als hochgradig attraktiv: Denn das Einkommen von Beamten ist meist überdurchschnittlich hoch und über die gesamte Laufbahn hinweg vorhersehbar. Beamte verfügen über Arbeitsplätze auf Lebenszeit und sind in der Regel an einer hochwertigen Absicherung interessiert.
Spezialwissen für die Beratung
„Sie brauchen fachliches und methodisches Rüstzeug, also einen Überblick über alle wichtigen gesetzlichen Regelungen im Beamtenrecht, müssen Versorgungslücken ermitteln und einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz zusammenstellen können“, umreißt Norbert Lamers vom Bildungsanbieter Perspectivum, der Vermittler in Kooperation mit der Weiterbildungsgesellschaft der IHK Bonn/Rhein-Sieg zum Berater Öffentlicher Dienst (IHK) weiterqualifiziert, die Grundanforderungen. Das Fachwissen muss jedoch auch richtig angewendet werden, denn Beamte tragen andere berufsspezifische Risiken als normale Arbeitnehmer.
Spezifische Beamtenbegriffe wie Beihilfe, Heilfürsorge, Pension und Dienstunfähigkeit müssen entsprechend bei der Beratung berücksichtigt werden. Beamte sind von der Sozialversicherung befreit und können unabhängig von Gehaltsgrenzen in die private Krankenversicherung wechseln. Rund 85 Prozent der Beamtenanwärter und Beamten entscheiden sich bisher für diesen Weg, denn in diesem Fall erhalten sie staatliche Beihilfe.
Die Beihilfe ist ein eigenständiges Fürsorgesystem, mit der der jeweilige Dienstherr seine gesetzlich vorgeschriebene Fürsorgepflicht erfüllt. Das bedeutet, Beamte erhalten einen Teil ihrer Arztrechnungen – zwischen 50 und 70 Prozent – erstattet. Jedes Bundesland hat seine eigene Beihilfeverordnung, die regelt, in welcher Höhe und für welche Leistung Kosten übernommen werden.
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Beihilfe und Heilfürsorge
Nur der verbleibende Rest muss folglich über eine private Restkostenversicherung abgesichert werden. Diese gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen. „Da die Beihilfe bereits mittleren Charakter hat, empfiehlt es sich stets einen Optimalschutz für den PKV-Tarif wählen. Die Grundschutzstufen, die bei Selbstständigen ein großes Thema sind, passen hier nicht“, sagt Paulo Patricio, Organisationsdirektor Makler und Mehrfachagenten der HanseMerkur Versicherung. Daher würden auch nur wenige Einsteigertarife auf dem Markt angeboten.
Ein Teil der Beamten, nämlich diejenigen, die aufgrund ihrer Tätigkeit einer besonderen gesundheitlichen Gefährdung unterliegen, erhalten statt der Beihilfe Heilfürsorge. Das bedeutet, dass der Dienstherr die kompletten Kosten für die Krankenversicherung übernimmt. Dazu zählen Soldaten, und in einigen Bundesländern auch Polizisten, Feuerwehrmänner oder Justizvollzugsbeamte.
Für Beamtenanwärter in der Ausbildung gibt es PKV-Anwärtertarife, die sich in der Leistung nur wenig von den regulären Tarifen unterscheiden, aber günstigere Beiträge bieten, weil sie ohne den Sparanteil der Alterungsrückstellung kalkuliert sind. „Eine Anwartschaftsversicherung sichert das Recht, ohne erneute Gesundheitsprüfung den Versicherungsschutz nach den bisher in Anwartschaft stehenden Tarifen aufleben zu lassen“, erläutert Holger Brendel, Leiter Unternehmenskommunikation der HUK Coburg. Beamtenanwärter können sich so gegen das Risiko absichern, während ihrer Ausbildung zu erkranken und aufgrund dessen sich später nicht mehr oder nur mit erheblichen Aufschlägen privat krankenversichern zu können. Nach der Ausbildung werden die Versicherten dann ohne Gesundheitsprüfung in die Beamtentarife umgestellt. „Wir kalkulieren beim Anwärtertarif nach der Art des Schadens und können daher eine vierjährige Beitragsgarantie gewähren“, so HanseMerkur-Experte Patricio.
„Hamburger Modell“ in der Krankenversicherung
Seit August 2018 erhalten Beamte im Bundesland Hamburg einen pauschalen Zuschuss, den sie auch auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung anwenden können. Mit Bremen, Berlin, Brandenburg und Thüringen planen weitere Länder eine Übernahme der Regelung. Der Weg in die GKV ist aufgrund der inkludierten Familienversicherung vor allem für kinderreiche Beamten mit geringem Verdienst oder Vorerkrankungen attraktiv. Das neue Modell gilt nur für neu eingestellte Beamte und für diejenigen, die bisher freiwillig GKV-Mitglied waren.
Ein Jahr nach der Einführung haben in Hamburg 1.365 Beamte die GKV gewählt. Laut Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde stammt dabei fast die Hälfte der Wechsler aus der unteren Besoldungsgruppe des allgemeinen Verwaltungsdienstes. Hier sind Bruttoeinkommen von deutlich unter 2.000 Euro möglich. Experten sehen das Modell als ersten Schritt in die Bürgerversicherung und durchaus kritisch. Der Deutsche Beamtenbund hat sich dagegen ausgesprochen und erwartet keine große Wirkung. Im Bereich der Arbeitskraftabsicherung gibt es bei Beamten ebenfalls Besonderheiten zu berücksichtigen. Auch für Beamte ist die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) von essenzieller Bedeutung, allerdings sollte sie eine Klausel für die Dienstunfähigkeit (DU) enthalten, denn die beiden Definitionen unterscheiden sich. Während eine BU vom Arzt festgestellt wird, entscheidet der Dienstherr über eine DU.
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Dienstunfähigkeitsklausel in der BU
„Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn als dienstunfähig eingestuft werden, aber noch nicht die Anforderung an eine Berufsunfähigkeit erfüllen“, weiß Makler Dirk Gärtner, BeamtenCircle Versicherungsmakler GmbH. Nur wenige Versicherer bieten eine Absicherung der speziellen Dienstunfähigkeit bei Polizisten, Feuerwehrmännern oder im Justizvollzug. Sie liegt vor, wenn der Beamte den besonderen Anforderungen seines Berufs nicht mehr gerecht wird.
Berater müssen wissen: Aufgrund Paragraf 26 des Beamtenstatusgesetzes können Dienstherren dienstunfähige Beamten zur Umschulung und zu einfacheren Tätigkeiten zwingen. Eine BU mit entsprechenden Bedingungen kann dies verhindern. Beamte auf Widerruf und Beamte auf Probe werden zudem als dienstunfähig entlassen, falls ihre Arbeitskraft durch geistige oder körperliche Schäden gemindert ist, die nicht Folge eines Dienstunfalls sind. Sie haben dann keinen gesetzlichen Versorgungsanspruch und werden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.
Zu den weiteren wichtigen Absicherungen für Beamte gehört die Haftpflichtversicherung. „Hier ergänzt eine Amtshaftpflichtversicherung die private Haftpflichtversicherung, da mehr Verantwortung auch oft mehr Risiko bewirkt“, sagt HUK-Coburg-Experte Brendel. Zum Beispiel für Lehrer, die für eine Schulklasse während einer Klassenfahrt verantwortlich sind. In der privaten Altersvorsorge hingegen gibt es für Beamte keine speziellen Produkte. Anstelle der gesetzlichen Rente erhalten sie eine Pension ihres Dienstherrn, die sie über die üblichen Altersvorsorgeprodukte der dritten Schicht wie zum Beispiel eine fondsgebundene Rentenversicherung aufstocken können.
Beamten wird generell ein hohes Sicherheitsbedürfnis bescheinigt. Es bestehen daher sehr gute Cross-Selling-Möglichkeiten und eine besonders hohe Kundenbindung. Wer in der Zielgruppe einmal Fuß gefasst hat, kann demnach auf einen besonders treuen Kundenkreis hoffen. Hinweis: Der Text erschien zuerst mit Zusatzmaterial in der Zielgruppen-Spezial-Ausgabe der procontra.
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