Elementardeckung: „Die Mär vom unbezahlbaren Schutz“

Das ZDF sendete aus den Hochwassergebieten auch die Botschaft, dass eine Elementarschadenpolice unbezahlbar sei. Im Interview führt Makler Alexander Kirschweng die These ad absurdum.

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08:08 Uhr | 03. August | 2021
Der Einschluss der Elementarschadendeckung kostet meist nur 10 bis 30 Prozent mehr im Jahr, angesichts einer Hochwasserkatastrophe ein Klacks, sagt Makler Alexander Kirschweng. Bild: SeVeS

Der Einschluss der Elementarschadendeckung kostet meist nur 10 bis 30 Prozent mehr im Jahr, angesichts einer Hochwasserkatastrophe ein Klacks, sagt Makler Alexander Kirschweng, Geschäftsführer der SeVeS GmbH in Trier. Bild: SeVeS

procontra: Sie wohnen seit Jahren in Trier nahe der Mosel und sind als Makler hochwassererprobt. War es diesmal wie früher auch nach einem Hochwasser?

Kirschweng: Ich wohne in Trier und habe natürlich viele Schäden vor Ort gesehen. Einige Kunden sind betroffen, andere nicht. Bei einer Kundin wird die Elementarschadenversicherung die Gebäudeschäden tragen – bei einem überschaubaren Selbstbehalt. Doch ihr Mieter, der im Erdgeschoss wohnt, hat seinen gesamten Hausrat verloren und war nicht gegen Hochwasser versichert.

procontra: Über solche Fälle hat das Fernsehen ja intensiv berichtet. Das ZDF verband das mit der Nachricht, dass viele ja gerne eine Elementarschadenversicherung hätten, die aber unbezahlbar sei. Ist das so?

Kirschweng: Die Mär vom unbezahlbaren Elementarschadenschutz hat mich mächtig aufgeregt. Hätte man vernünftig recherchiert, wäre in kurzer Zeit klargeworden, dass derzeit 46 Prozent bundesweit einen solchen Schutz für Hausrat und Wohngebäude besitzen. Die jetzige Krise sollte alle Maklerkollegen ermuntern, die unversicherten 54 Prozent nochmals zu beraten. Natürlich gibt es einige wenige Gebiete und Objekte, die nicht oder wirklich nur zu extrem hohen Beiträgen versichert werden können. Doch die allermeisten Häuser und deren Hausrat konnten bisher zu verträglichen Konditionen versichert werden.

procontra: Woran liegt die Zurückhaltung vieler Kunden?

Kirschweng: Es ist offensichtliche eine sehr spezielle Risikoabwägung nach dem Motto: Bisher ist es doch jahrelang glimpflich bei Hochwasser ausgegangen. Und immer wieder springt bei Katastrophen ja der Staat ein. Unter diesen Vorzeichen sind viele einfach zu geizig, einen großen, oft sogar den größten Teil Ihres Vermögens gut zu versichern.

procontra: Was tun Sie, um da ein Umdenken zu erreichen?

Kirschweng: Zunächst einmal muss tatsächlich ein Umdenken im Kopf erreicht werden. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, dass Kunden gern ihr Handy und das uralte Auto voll absichern wollen, aber nicht existentielle Sachen wie das eigene Haus. Und andere lehnen es ab, einen Selbstbehalt bei Schäden zu tragen, etwa 250 oder 500 Euro pro Gebäudeschaden, obwohl die Gesamtschadenhöhe bei einem Hochwasser oder Erdrutsch sie ruinieren würde und der Selbstbehalt nur ein kleiner Klacks ist, der zudem den Jahresbeitrag für die Versicherung deutlich reduziert.

procontra: Einige, die jetzt Haus und Hof verloren haben, werden nach dem Wiederaufbau hoffentlich klüger sein. Oder brauchen wir tatsächlich eine Pflichtversicherung, die die Leute vor sich selbst schützt?

Kirschweng: Viele Kollegen haben in den vergangenen Jahren wie ich auch ihren Kunden dringlich empfohlen, ihre Immobilien samt Hausrat gegen Elementarschäden abzusichern. Der Mehrbeitrag hält sich fast immer sehr in Grenzen – häufig nur 10 bis 30 Prozent Zuschlag auf die bestehende Police, oft sogar weniger als 200 Euro im Jahr. Und wenn es wirklich mal 600 Euro im Jahr sein sollten, ist entweder das Objekt entsprechend groß – und die 600 Euro dann wirklich kein finanzielles Problem –, oder man kommt mit einem vernünftigen Selbstbehalt zu einem akzeptablen Beitrag. Die Nachfrage wächst.

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procontra: Also keine Pflichtversicherung?

Kirschweng: Eine Pflichtversicherung ist nur die letzte Möglichkeit, den Selbstschutz durchzusetzen. Doch es geht ja um mehr. So muss der Staat mehr in Hochwasserschutz investieren, der Neubau in gefährdeten Gebieten von Kommunen gestoppt werden, aber auch der Einzelne Hochwasser-Prophylaxe schon beim Hausbau verpflichtend einkalkulieren.

procontra: Wie gehen Sie bei dieser Gemengelage mit den noch unversicherten Kunden um?

Kirschweng: Natürlich stand zunächst die Hilfe bei der Schadenregulierung im Vordergrund. Im zweiten Schritt habe ich in meinem Bestand umgehend alle Hausrat- und Wohngebäudepolicen selektiert und die Gesellschaften um Prüfung des aktuellen Schutzes gebeten. Falls bisher keine Elementarschäden abgesichert waren, habe ich ein Angebot des Gebäude- oder Hausratversicherers angefordert. Falls Elementarschäden schon abgesichert waren, bat ich um Prüfung des Tarifs und Umstellung auf den besten Tarif.

procontra: Wie war die Resonanz der Versicherer?

Kirschweng: Ich war überrascht, denn das ging zum Teil sehr schnell, obwohl die Gesellschaften ja bei der Schadenregulierung teilweise Land unter waren und noch sind. Letztlich hat bislang jeder Versicherer ein ordentliches Angebot gemacht. Diese Angebote habe ich umgehend an die Kunden gesendet und ihnen den Einschluss bzw. die Aktualisierung dringlich empfohlen. Mein Firmenname ist Programm: SeVeS steht als Abkürzung für Seriosität, Vertrauen, Service.

procontra: Gibt es da schon eine Reaktion?

Kirschweng: Fast alle Kunden haben das Angebot dankend angenommen und sind nun umfänglich gesichert. Übrigens weiß ich aus dem Kollegenkreis, dass die meisten Vermittler ähnlich professionell im Kundeninteresse gearbeitet haben, ohne das an die große Glocke zu hängen.

procontra: Lohnt es denn, den Schutz auch aufzustocken, wenn das Haus gerade komplett zerstört wurde und nun neu aufgebaut werden muss?

Kirschweng: Ja – das nächste Hochwasser kommt bestimmt, wenn man das Haus denn aktuell noch versichert bekommt. Denn die Antragsfrage „Gab es in den letzten zehn Jahren Elementarschäden?“ muss dann mit „Ja“ beantwortet werden. Das kann erstmal zur Ablehnung führen. Ein versierter Makler findet jedoch Mittel und Wege.

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