Kein Versicherungsschutz: Quarantäne-Verstöße können zum Ruin führen

Die Corona-Quarantäne einzuhalten ist gesetzliche Pflicht. Wer gegen diese verstößt, muss nicht nur mit hohen Bußgeldern rechnen, sondern in bestimmten Fällen auch mit dem Verlust seines Versicherungsschutzes.

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14:12 Uhr | 13. Dezember | 2021
Gegen die Corona-Quarantäne zu verstoßen, kann in manchen Fällen den Versicherungsschutz kosten. Diese können allerdings richtig teuer werden. Bild: Adobe Stock/alex.pin

Gegen die Corona-Quarantäne zu verstoßen, kann in manchen Fällen den Versicherungsschutz kosten. Diese können allerdings richtig teuer werden. Bild: Adobe Stock/alex.pin

Omikron ist da. Experten rechnen damit, dass die neue Coronavirus-Mutation innerhalb weniger Wochen das Infektionsgeschehen hierzulande dominieren wird. Nordrhein-Westfalen hat vor wenigen Tagen bereits reagiert: Auch geimpfte Personen, die Kontakt zu einem Infizierten der Omikron-Variante hatten, müssen nun für 14 Tage in Quarantäne.

Quarantäne ist das Stichwort. Im infektionsarmen Sommer beinahe vergessen, gehört sie seit einigen Wochen wieder zum Alltag vieler Deutscher. Ob Reiserückkehrer, Eltern von Schulkindern, begründete Verdachtsfälle oder nachgewiesene Infektionen – die Quarantänepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) kann die Menschen aus vielerlei Gründen ereilen. Bei einer Verletzung dieser angeordneten Pflicht, zuhause oder im Krankenhaus zu bleiben, drohen Geldbußen von bis zu 25.000 Euro. Doch es kann sogar noch deutlich teurer kommen. Nämlich dann, wenn durch den Quarantäne-Verstoß der Versicherungsschutz wegfällt.

Versicherer nennen Beispiele

Das ist tatsächlich möglich. Bereits im August hatte procontra mehrere große und unter Maklern beliebte Versicherer danach gefragt, ob Ungeimpfte mit eingeschränkten Versicherungsleistungen rechnen müssen. Im Zuge dessen stellten wir auch die Frage, ob die Versicherer leistungsfrei sind, wenn ihre Kunden gegen die Quarantänepflicht verstoßen und bei ihrem unerlaubten Aufenthalt im Freien einen Schaden verursachen oder beispielsweise durch einen Sturz selbst berufsunfähig werden. Die Unternehmen erklärten dabei, dass der Schutz für „reguläre“ Versicherungsschäden auch während eines Quarantänebruchs weiterbestehe, da es sich dabei nur um eine Ordnungswidrigkeit handle. Erst wenn der Kunde im Zusammenhang mit dem entstandenen Schaden die Schwelle zur Straftat überschreite, könne auch der Wegfall des Versicherungsschutzes zum Thema werden.

Beispielhaft gefragt nach der Berufsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsversicherung erklärte ein Sprecher der Signal Iduna: „Unsere AVB sehen einen Leistungsausschluss bei vorsätzlicher Begehung einer Straftat vor. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein Straftatbestand vorliegt.“ Zur privaten Unfallversicherung heißt es von Seiten der Signal Iduna: „Ob geleistet wird oder nicht, hängt davon ab, wie die Verletzung der Quarantäne geahndet wird. Handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, leisten wir. Bei einer Straftat hingegen, gibt es keine Leistungen.“

Auch die Alte Leipziger greift beispielhaft die private Unfallversicherung auf: „Es muss ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Straftat ‚Quarantäneverstoß‘ und dem Unfall bestehen. Beispiel: Ein Versicherter will die Isolierstation möglichst unbemerkt verlassen, klettert deshalb aus dem Fenster und verletzt sich dabei. Hier bestünde kein Versicherungsschutz“, antwortete eine Sprecherin auf unsere Anfrage. Stolpere der Versicherte aber während des Quarantänebruchs beim Einkaufen über einen Bordstein und verletze sich dabei, so würde er Leistungen aus seiner Unfall-Police erhalten.

Bei Quarantäne-Verstößen ist immer Vorsatz im Spiel

Während der Versicherungsschutz also in den meisten Fällen weiterbesteht, öffnet sich bei Verstößen gegen die Quarantänepflicht trotzdem ein Fenster für ruinöse Schäden – und zwar in Verbindung mit der privaten Haftpflichtversicherung (PHV). So findet sich in den PHV-Musterbedingungen des GDV eine Klausel zur Übertragung von Krankheiten (A1-7.11 a)), die auch viele Unternehmen in ihren Bedingungen haben. Dort heißt es:

Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des Versicherungsnehmers resultieren. In diesen Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.

Bezogen auf das Coronavirus ist es in der Praxis schon relativ schwer, Ansteckungsketten genau nachzuvollziehen. Umso schwieriger dürfte es bei den hohen Fallzahlen sein, den konkreten Überträger auszumachen. Und nur wenn man diesen ermittelt hat, können auch der PHV-Schutz beziehungsweise dessen Ausschluss greifen – sofern der Versicherte nicht ohnehin ein leicht fahrlässiges/normales Verhalten nachweisen kann, etwa durch das Tragen einer Maske oder den eingehaltenen Mindestabstand.

Bei Quarantäne-Brechern würde es aber offenbar anders aussehen. „Grundsätzlich würde ich schon davon ausgehen, dass eine Person, die eine entsprechende Anordnung erhalten hat, beim Verlassen des angeordneten Aufenthaltsbereichs, also zum Beispiel bei häuslicher Quarantäne beim Verlassen der Wohnung, vorsätzlich handelt. Hier genügt strafrechtlich bereits ein bedingter Vorsatz, das heißt es reicht aus, wenn die Person billigend in Kauf nimmt, gegen die Anordnung zu verstoßen“, erklärte Jürgen Möthrath, Fachanwalt für Strafrecht und Präsident des Deutschen Strafverteidiger Verbands (DSV), auf procontra-Nachfrage.

Nach Möthraths fachlicher Einschätzung werde nicht jeder während des Verstoßes entstandene Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt – wohl aber die Schäden, die eine Coronainfektion infolge eines Quarantänebruchs verursacht. Zur Veranschaulichung nennt der DSV-Präsident zwei Beispiele:

Seite 1: Privathaftpflicht-Ausschluss öffnet Fenster für ruinöse SchädenSeite 2: Schwerwiegende Folgen

Bei den regulären Versicherungsschäden, also etwa dem Sturz auf dem Parkplatz oder beim versehentlichen Umstoßen einer teuren Vase, würde voraussichtlich Schutz bestehen, da dies nicht in direkter Verbindung mit dem vorsätzlichen Quarantäneverstoß steht, so der Jurist. Seine beiden Beispiele verstärken jedoch die These (letzten Endes müssten das in Einzelfällen natürlich die Gerichte klären), dass Quarantänebrecher trotz vorhandener PHV-Policen keinen Versicherungsschutz genießen, wenn sie jemanden mit Corona infizieren, da der direkte Zusammenhang zwischen Quarantäneverstoß und Infektion des anderen stets auf Vorsatz basiert. Auch das Rechtsberatungsportal Klugo.de weist darauf hin, dass die Nichteinhaltung der Corona-Quarantäne rechtlich als (versuchte) Körperverletzung gewertet werden kann. Und das kann sehr teuer werden.

Denn im Falle einer Coronainfektion steht zunächst ein möglicher Arbeitsausfall im Raum. Die dann anfallende Lohnfortzahlung könnten der Arbeitgeber des Infizierten und bei längerem Ausfall auch dessen Krankenversicherung vom Quarantänebrecher zurückfordern. Nimmt die Coronaerkrankung einen schweren Verlauf, können allein im Krankenhaus Behandlungskosten im fünfstelligen Bereich anfallen. Dazu können Long-Covid-Folgen das Gesundheitssystem langfristig belasten, zum Beispiel auch bei Pflegebedürftigkeit.

Regress und Schadenersatz drohen

Doch es sind nicht nur die Sozialversicherungen beziehungsweise die PKV, der in diesem Szenario Kosten entstehen können. Wenn die Coronaerkrankung den Infizierten berufsunfähig werden lässt oder er gar verstirbt, könnten auch die Anbieter dieser Versicherungen auf den Quarantänebrecher aufmerksam werden. Dazu kommen noch weitere Regress-Möglichkeiten, etwas dass der Infizierte durch die Erkrankung einen Vermögensschaden erleidet, weil er einen wichtigen Geschäftstermin nicht wahrnehmen kann. Im Falle von Long-Covid könnte es ihm auch erschwert werden, in Zukunft selbst eine BU, Risikoleben oder andere Biometrie-Policen abzuschießen. Auch berufliche Karrieren, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen, könnten dadurch beeinträchtigt werden. Mit solchen Schadenersatzansprüchen könnte er jeweils auf den Ansteckenden zukommen.

Auch wenn in den genannten Fällen wahrscheinlich Gerichte darüber entscheiden müssten, ob Versicherungsschutz besteht oder nicht, so sollten in Quarantäne befindliche Personen ihre damit verbundene Pflicht lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen.

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