Falschberatung: Vertreterin muss 165.000 Euro zahlen

Beim Abschluss einer Unfallversicherung sollten auch die Hobbys des Versicherungsnehmers in den Blick genommen werden. Wird der Versicherungsschutz an diese nicht entsprechend angepasst, droht schnell der Vorwurf der Falschberatung. Dies zeigt ein aktuelles Urteil aus Frankfurt.

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11:06 Uhr | 29. Juni | 2022
Speedway Bild: Qusek

Einem Speedway-Fahrer wurde sein Hobby zum Verhängnis. Zusätzlich wollte seine Unfallversicherung nichts zahlen. Bild: Qusek

Ob Basejumping, Paragliding oder Motorsport – viele Menschen suchen in ihrer Freizeit das Extra-Quäntchen Adrenalin. Wer allerdings ein gefährliches Hobby betreibt, ist gut beraten, dieses beim Abschluss einer Unfallversicherung anzugeben. Sonst kann der Versicherer die Leistung verweigern.  

Allerdings sind auch Vermittler in der Pflicht, bei Kenntnis gefährlicher Hobbys, den Versicherungsschutz entsprechend anzupassen. Dies wird nun durch ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az: 7 U 168/16, Urteil vom 13. Mai 2022) unterstrichen.  

Was war passiert?

In dem konkreten Fall ging es um einen Mann, der passioniert Rennsport betrieb, genauer gesagt: Motorrad Speedway. Hierbei wird mit Motorrädern zumeist auf ovalen Sand- oder Rasenstrecken gefahren, die Kurven werden in der Regel per Drift genommen.  

Seit 1993 nahm der Mann als Beifahrer an diesen Rennen teil, seit 1992 wurde er von einer Handelsvertreterin, die im Auftrag einer Versicherungsvertreterin nach Paragraph 34d Abs. 7 Gewerbeordnung tätig war, betreut. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Mann bereits über eine Unfallversicherung, jedoch nicht von dem Versicherer, für den die Versicherungsvertreterinnen tätig waren.

2001 schloss er schließlich eine sogenannte Bündelversicherung ab – diese enthielt neben einer Hausrat- und Haftpflicht- auch eine Unfallversicherung. Die bestehende Unfallversicherung führte er nicht mehr weiter.  

Als der Mann 2010 mit seiner Frau in eine größere Wohnung umzog, nutzte besagte Handelsvertreterin diesen Umstand für ein Beratungsgespräch. Thema dieser Unterhaltung war auch das Hobby des Mannes – dieser erwähnte gegenüber der Vertreterin, dass er seit Jahren als Grasbahnwagenrennen-Beifahrer regelmäßig an Rennen teilnimmt.  

Die Bedingungen der Unfallversicherung schlossen jedoch Leistungen in Folge von Unfällen bei Rennsportveranstaltungen aus. Es kam wie es kommen musste: Kurze Zeit nach dem Gespräch verunglückte der Mann schwer. Die Folgen waren gravierend: Nicht nur, dass er seitdem seinen linken Arm und sein linkes Bein nur noch eingeschränkt benutzen kann, ein Sachverständiger attestierte dem Mann auch eine substantielle Hirnschädigung.  

Aufgeklärt oder nicht?

Der Leistungsantrag gegenüber seiner Versicherung verlief jedoch erfolglos, da diese auf die Versicherungsbedingungen verwies. Der Mann klagte nun gegen die Handelsvertreterin auf Falschberatung – schließlich habe er dieser gegenüber ausdrücklich sein Hobby erwähnt.  

Dieser Darstellung widersprach die Handelsvertreterin. Sie habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehende Unfallversicherung das Hobby des Klägers nicht versichert. Zwar taucht ein entsprechender Passus nicht im Beratungsprotokoll auf – das liege aber daran, so die Handelsvertreterin, dass sie den Mann bereits mehrfach zuvor über den Risikoausschluss informiert habe. Entsprechend sei ein diesbezüglicher Vermerk im Beratungsprotokoll nicht notwendig gewesen.  

Nachdem der Mann zunächst vor dem Gießener Landgericht mit seiner Klage gescheitert war, landete der Fall vor dem OLG Frankfurt. Und das gab dem Kläger Recht. Zwar müssen Versicherungsnehmer beim Abschluss einer Versicherung mit Risikoausschlüssen rechnen – die Vertreterin ist auch nicht verpflichtet, über jeden dieser Ausschlüsse aufzuklären. Allerdings besteht eine Aufklärungspflicht für den Fall, dass sich der Versicherungsnehmer irrige Vorstellungen über den Versicherungsschutz macht und der Vertreter dies erkennt beziehungsweise ein Irrtum sehr naheliegend ist. Die Vertreterin konnte auch nicht davon ausgehen, dass der Mann anderweitig abgesichert war. Entsprechende Nachfragen beim Mann waren unterblieben. 

Argumente der Vertreterin überzeugen Gericht nicht

Die Argumentation der Vertreterin, bereits in den Vorjahren – unter anderem 1992 - über den Deckungsausschluss informiert zu haben, fand das Gericht nicht überzeugend. Denn 1992 war es nicht um den Abschluss einer Unfallversicherung gegangen – die hatte der Mann damals noch bei einem anderen Anbieter. Warum also hätte die Vertreterin damals das Thema Deckungsausschluss zur Sprache bringen sollen?  

Verwunderlich fand es das Gericht auch, dass die Vertreterin angeblich genaue Erinnerungen an ihre Aufklärung im Bezug auf die Deckungsausschlüsse hatte, über andere Vertragsangelegenheiten des Mannes hingegen wenig sagen konnte.  

Insgesamt könne das Gericht nicht mit ausreichender Gewissheit erkennen, ob die Vertreterin über die Deckungslücke aufmerksam gemacht habe – dies gehe zu Lasten der Vertreterin. Für sie war es offensichtlich, dass der Mann davon ausging, auch bei dem von ihm ausgeübten Sport abgesichert zu sein. Dass sie den Mann entsprechend aufgeklärt habe, hätte die Vertreterin entsprechend nachweisen müssen – dieser Nachweis gelang allerdings nicht.  

Das OLG Frankfurt verklagte die Handelsvertreterin sowie die Vertreterin, für die die Handelsvertreterin tätig war, zur Zahlung von 165.000 Euro an den Versicherungsnehmer. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.