Brexit: So verkompliziert er den Versicherungsschutz
Die politische Regulierung durch Brüssel und Berlin beeinflusst das Tagesgeschäft von Maklerbetrieben massiv. Das dürfte auch 2020 weitergehen, wurde kürzlich auf einer Fachtagung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungs-Makler (BDVM) deutlich. Der Verband erwartet eine neue Regulierungswelle, auch durch den beabsichtigten Aufsichtswechsel bei 34f-Vermittlern (procontra berichtete).
Im kommenden Jahr beeinflusst zudem der Brexit die Kundenbeziehungen. Wenn jemand uns vor einem Jahr gesagt hätte, dass wir uns bis heute mit dem Brexit beschäftigen, hätte ich ihm wenig Glauben geschenkt“, sagt Thomas Olaynig. „Doch die Brexit-Planung ist einem ständigen Wandel ausgesetzt“, so der Vorstand des Maklerverbandes BDVM und Geschäftsführer der Marsh GmbH weiter. Aktuell stelle sich nur noch die Frage wann Großbritannien die EU verlässt sowie in welcher Art und Weise - Deal or No-Deal. Derzeit sieht er zwei Szenarien für den Ausstieg:
Deal or No-Deal
Im ersten „Deal“-Szenario, das Boris Johnson bis spätestens Ende 2020 anstrebt, bleibt abzuwarten, welchen Stellenwert Dienstleistungen im Freihandelsabkommen haben werden. Das Austrittsabkommen sieht eine Liberalisierung im Dienstleistungshandel vor, die über die WTO-Regeln hinausgeht. „Höchstwahrscheinlich verliert die deutsche Versicherungswirtschaft jedoch mit dem Austritt die Freedom-of-Services-Regelungen (FoS) mit Großbritannien“, so Olaynig. Diese auch Europa-Policen genannten Versicherungen bieten im Europäischen Wirtschaftsraum einheitlichen Versicherungsschutz für einen internationalen Konzern durch eine einzige Erstversicherungspolice, die typischerweise im Sitzland der Konzernholding abgeschlossen wird. Bei dieser Lösung gibt es also keine lokalen Policen.
Diese Entwicklung, insbesondere auch der Umstand, dass Vorkehrungen für den Fall eines „No-Deal“-Brexits getroffen werden müssen, hat Neugründungen von EU-Gesellschaften britischer Versicherer in der EU zur Folge gehabt (procontra berichtete). „So gut wie alle haben ihre bestehenden Verträge auf ihre EU-Gesellschaften übertragen“, so Olaynig weiter.
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Im zweiten „No-Deal“-Szenario wird es nach dem Hard-Brexit zwischen Großbritannien und den EU-Staaten keine Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit mehr geben und der Handel würde lediglich nach den WTO-Regeln erfolgen. In der Folge können europaweit tätige Versicherer ohne eine entsprechende Erlaubnis in den einzelnen EU-Ländern langfristig (nach dem 31. Dezember 2020) nicht mehr über Niederlassungsnetze (nicht mit rechtlich selbständigen juristischen Personen wie Tochtergesellschaften zu verwechseln) operieren, die sowohl Großbritannien als auch die übrigen EU-Länder abdecken. „Dies gilt in gleicher Weise für Versicherungspolicen, die in Großbritannien zur Deckung von Risiken in den EU-Mitgliedsstaaten gezeichnet werden“, sagt Olaynig.
Britische Versicherer gründeten EU-Gesellschaften
Um nach einem harten Brexit dennoch am EU-Markt teilnehmen zu können, benötigen die Briten eine unabhängige, geschäftsführende Einheit innerhalb des EU-Binnenmarkts, die unter europäische Aufsicht fällt, oder, um über eine entsprechende Niederlassung tätig werden zu können, die Erlaubnis des betreffenden EU-Mitgliedsstaates. Vor dem Hintergrund, dass viele Versicherer ihrer Geschäftstätigkeit in ganz Europa durch eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien nachgehen, verfolgen sie derzeit Brexit-Strategien, um Kontinuität und Vertragssicherheit auch künftig zu gewährleisten (procontra berichtete).
Beispiel: Lloyd´s hat die Lloyd’s Insurance Company S.A. in Brüssel gegründet. Diese Tochter hält eine Lizenz, um EU-Risiken zu zeichnen. Das Underwriting findet aber weiter komplett in London statt und alle Policen werden zu 100 Prozent bei der Mutter rückversichert, erklärt der Makler. Luxemburg sei ebenso ein vielgenutzter Standort für die Gründung von EU-Gesellschaften von britischen Versicherern. Aber auch Frankreich, Deutschland und Irland gehören zum Kreis der attraktiven Standorte.
Deutsche Makler könnten weiterhin die etablierten Einheiten von britischen Versicherern innerhalb des EU-Binnenmarktes für die Risikoplatzierung nutzen. „Bei einem sich abzeichnendem Hard-Brexit sollten deutsche Makler darauf achten, dass der Sitz des Versicherers ihrer transferierten Risiken sich innerhalb der EU befindet, damit Vertragskontinuität langfristig gewährleistet bleibt“, rät der BDVM-Vorstand.
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Was aus deutschen Policen zur Risikoabdeckung in UK wird
Verträge in Großbritannien, die Risiken in Deutschland abdecken, sind zunächst nicht vom Hard-Brexit betroffen, wenn die BaFin von ihrer Befugnis (nach Paragraf 66a VAG) Gebrauch macht. „Davon ist auszugehen“, betont Olaynig. Folge: Für einen Zeitraum von maximal 21 Monaten ab dem ungeregelten Austritt ist die BaFin ermächtigt, einen Zeitraum für die Abwicklung der bis zum Austritt abgeschlossenen Versicherungsverträge) zugunsten der Versicherungsnehmer und Begünstigten von Versicherungsleistungen festzulegen (procontra berichtete).
Entsprechende Verfahren in Großbritannien (UK) sorgen zudem dafür, dass EU-Versicherer bei einem Hard-Brexit EU-Versicherer weiterhin Geschäft im Vereinigten Königreich machen können. Das Temporary Permissions Regime (TPR) sieht vor, dass EU-Versicherer, die einen Neu-Zulassungsantrag für eine UK-Niederlassung stellen wollen, bis Ende 2020 auch FoS-Deckungen anbieten können.
Deutsche müssten sich beim Hard-Brexit anmelden
Versicherer, die sich nicht beim TPR anmelden, landen automatisch im Financial Services Contract Regime (FSCR). Folge: Sie können bestehendes Geschäft weiterführen, jedoch keine neuen Verträge abschließen. Um aufsichtsrechtlichen Verstößen vorzubeugen, kann eine sogenannte Brexit-Klausel in den Versicherungsverträgen übergangsweise helfen. „Makler sollten ihren Bestand entsprechend untersuchen und prüfen, ob eine solche Klausel in die Verträge integriert werden muss (nur bei FSCR erforderlich)“, rät Olaynig. Damit wäre keine lokale Police nötig. Makler, die auch nach Austritt aus der EU in Großbritannien tätig werden wollen, müssen sich entsprechend zulassen. Die Registrierung findet, wie bei EU-Versicherern, über das TPR statt.
Fazit: Nach dem deutlichen Wahlausgang im britischen Unterhaus und der absoluten Mehrheit der Tories steigt die Hoffnung für einen geregelten Brexit. Die Umsetzung muss aber noch durch das britische Parlament abgesegnet und von der EU angenommen werden. Makler haben mit komplexeren Prozessen und zwischenzeitlich zusätzliche Kommunikation mit ihren Firmenkunden. „Ansonsten dürften sich direkte negativen Folgen des britischen EU-Austritts hierzulande in Grenzen halten“, hofft der BDVM.
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