BSV: Haftpflichtkasse muss knapp 430.000 Euro zahlen

Erneut hat das Landgericht München im Streit um Leistungen aus Betriebsschließungsversicherungen zugunsten eines Gastronomen entschieden. Die Versicherungsbedingungen der Haftpflichtkasse bewertete das Gericht als intransparent.

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13:10 Uhr | 22. Oktober | 2020
Landgericht München

Das Landgericht München traf erneut ein Urteil im Konflikt zwischen Betriebsschließungsversicherern und Gastronomen. Bild: picture alliance

Einen Tag nachdem die Allianz mit einem Vergleich ein Urteil verhindert hat, hat das Landgericht München I einem Gastronom gegenüber seinem Betriebsschließungsversicherer Recht gegeben. Das Landgericht urteile, dass die Haftpflichtkasse dem Wirt des Oberföhringer Restaurants „Sankt Emmeramsmühle“ gut 427.000 aus dessen Betriebsschließungsversicherung zahlen muss.  

Erneut befand das Gericht, dass es für den Leistungsfall nicht entscheidend sei, dass das Corona-Virus nicht im Betrieb des Klägers aufgetreten sei, sondern dieser per Allgemeinverfügung geschlossen worden sei. Die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Anordnung sei dabei unerheblich für die Leistungspflicht.  

Auch die Tatsache, dass der Gastronom einen Außerhausverkauf von Speisen hätte anbieten können, entband die Haftpflichtkasse nicht von einer Leistung. Ein Außerhausverkauf war aus Sicht des Gerichts für den Wirt nicht zumutbar gewesen – dieser stelle, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft sei, keine unternehmerische Alternative dar.  

Klauseln sind laut Gericht intransparent

Wie bereits im medial stark beachten Fall des Augustiner-Kellers gegen die Versicherungskammer Bayern bewertete das Landgericht auch die vorliegenden Klauseln der Haftpflichtkasse als intransparent. In den Versicherungsbedingungen hatte es unter § 1 Ziffer 2 geheißen:  

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:“  

Wenn der Versicherungsschutz durch die Versicherungsbedingungen eingeschränkt werde, müsse das für den Versicherungsnehmer klar erkenntlich sein, befand das Gericht. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben – der Versicherungsnehmer müsse hier davon ausgehen, dass die aufgezählten Krankheiten diejenigen seien, die auch im Infektionsschutzgesetz genannt sind. Eine Einschränkung, die beispielsweise durch Begriffe wie „nur die folgenden“, „ausschließlich die folgenden“ oder „diese Auflistung ist abschließend“ hätte deutlich gemacht werden können, sei nicht erkennbar.  

Haftpflichtkasse will Urteil prüfen

Damit der Versicherungsnehmer den wahren Leistungsumfang einschätzen könnte, hätte er die Versicherungsbedingungen Wort für Wort mit dem Infektionsschutzgesetz vergleichen müssen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar werde, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht kenne, sei jedoch intransparent, legte das Gericht dar.  

Von Seiten der Haftpflichtkasse hieß es auf procontra-Nachfrage nur, dass man das Urteil ausführlich prüfen wolle. Zugleich verwiesen die Darmstädter auf Urteile der vergangenen Woche, die zugunsten der Versichererseite ausgefallen waren, wie Entscheidungen des OLG Hamm (Az: 20 W 21/20), des Landgerichts Ellwangen (3 O 187/20) und des Amtsgerichts Darmstadt (306 C 139/20). „Die Haftpflichtkasse ist überzeugt, dass kein Urteil zeichensetzend ist für andere anhängige Verfahren. Denn es kommt im Einzelfall auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen ebenso an wie auf die unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Gerichte“, sagte ein Sprecher.  

Weitere Urteile werden in den kommenden Wochen und Monaten sicherlich folgen. Allein vor dem Münchener Landgericht sind derzeit 88 Verfahren im Komplex der Betriebsschließungsversicherungen anhängig.