BGH-Urteil offenbart Lücke in PKV-Bedingungen

In der passiven Altersteilzeitphase erhalten Arbeitnehmer dasselbe Gehalt, egal ob sie krank sind oder nicht. Ob dann trotzdem auch Krankentagegeld aus einer PKV-Police gezahlt werden muss, hat nun der BGH entschieden.

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16:01 Uhr | 02. Januar | 2020
Inkasso, Lebensversicherung, Rückkauf, Peter Link, Policendirekt

Peter Link, Chefsyndikus der Policen-Direkt-Gruppe, kommentiert das BGH-Urteil zum Rückkauf von Lebensversicherungen. Bild: Policen Direkt

Der folgende, vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedene Fall, offenbart wegweisenden Charakter für alle privaten Krankenversicherer: Ein Mann hatte für den Zeitraum vom 2. November 2013 bis zum 12. November 2014 Krankentagegeld (KTG) aus seiner PKV bezogen, insgesamt 21.710 Euro. Er war als angestellter Versicherungsvermittler tätig und hatte die Police fast 30 Jahre vor der Erkrankung abgeschlossen.

Während dem Zeitraum des KTG-Bezugs befand sich der Mann in der passiven Phase der Altersteilzeit. Als der Krankenversicherer nach Ende der Erkrankung davon erfuhr, wollte er die ausbezahlten Leistungen zurückerhalten. Dies begründete er mit der Tatsache, dass man während der passiven Altersteilzeitphase auch im Falle einer längeren Erkrankung keine Gehaltseinbußen hinnehmen müsste. So habe der Mann auch während der längeren Krankheitsphase sein volles Gehalt bezogen, weshalb die KTG-Zahlungen aus Sicht des Versicherers nicht ihren Zweck erfüllten und sogar gegen das Bereicherungsverbot (§ 200 VVG) verstießen.

Wozu zählt die Altersteilzeit?

Der Fall landete vor Gericht und nachdem die vorangegangenen Instanzen nicht gleichlautend entschieden, musste der BGH am 27. November 2019 ein Urteil fällen (Az.: IV ZR 314/17). Darin nahm das höchste deutsche Gericht Bezug auf die folgenden, entscheidenden Stellen in den Vertragsbedingungen der Police:

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Bei seiner Entscheidung ließ der BGH außen vor, dass es sich bei dem Mann um einen Fachmann mit Spezialwissen zum Bereich Versicherungen handelte. Vielmehr wurde das Urteil auch hinsichtlich einer allgemeingültigen Bedeutung so ausgelegt, dass es sich bei der Person um einen durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer handelte.

Ein solcher hätte, nach Meinung der Richter, keine Einschränkungen im Hinblick auf ein Altersteilzeitmodell erkennen können und somit auch keine Meldung bei seinem Versicherer gemacht. Zudem treffen das feste Arbeitsverhältnis und die Lohnsteuerpflicht auf ihn zu und er hätte jederzeit wieder arbeiten können. Somit erkannte das Gericht keinen Verstoß oder eine mangelnde Voraussetzung aus den Versicherungsbedingungen an.

Zwar gibt es das Altersteilzeitgesetz erst seit dem Jahr 1996 und die Police wurde bereits im Jahr 1985 abgeschlossen. Jedoch gingen die Richter nicht davon aus, dass die Bedingungen bei Kenntnis der Altersteilzeitoptionen anders formuliert gewesen wären. Somit entfiel auch eine mögliche sinngemäße Auslegung in diese Richtung.

PKV-Anbieter müssen handeln

Ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot konnte ebenfalls nicht erkannt werden. Denn das KTG ist eine Summenversicherung, also von vornherein als pauschale Summe (Tagessatz) definiert. Seine Höhe variiert nicht abhängig vom tatsächlichen Verdienstausfall. Das Bereicherungsverbot stellt allerdings auf den Ausgleich des konkreten Schadens ab. In der Folge konnte der Mann also die ausbezahlten KTG-Leistungen behalten.

Für die privaten Krankenversicherer, die diese Lücke in ihren Bedingungen schließen möchten, bleibt nur die Möglichkeit, eine entsprechende Ausschussklausel in ihre Bedingungen aufzunehmen, schreibt Kathleen Kunst, Fachanwältin für Arbeitsrecht, auf dem Portal haufe.de. „Bei bereits abgeschlossenen Verträgen dürfte eine solche Änderung nicht ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers möglich sein“, so Kunst.

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