BaFin-Merkblatt zu Wohlverhaltensregeln

BdV schlägt staatliches Vergleichsportal für Abschlusskosten vor

Das BaFin-Merkblatt zu den Wohlverhaltensregeln für Lebensversicherer sorgt in der Branche für viel Kritik. Für den Bund der Versicherten geht es nicht weit genug. Neben Kritik äußern die Verbraucherschützer auch Vorschläge.

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14:02 Uhr | 08. Februar | 2023
Frau sitzt fragend vor Computer

Der BdV hat sich in seiner Stellungnahme zu einem BaFin-Merkblatt für die Einführung eines Vergleichsportals ausgesprochen, über das Kunden die unterschiedlichen Abschlusskosten bei Lebensversicherungsprodukten abfragen können.

| Quelle: metamorworks

Das Merkblatt der BaFin zur sogenannten Wohlverhaltensaufsicht bei kapitalbildenden Lebensversicherungen sorgt weiterhin für Kritik. Der Vermittlerverband AfW sieht in dem Entwurf einen Eingriff in die Vergütungsstrukturen durch die Hintertür. Insbesondere ist zu bemerken, dass das Merkblatt eine faktische Pflicht zu Provisionssenkungen durch ein Exekutivorgan auf unterster Ebene, also noch unterhalb eines BaFin-Rundschreibens oder einer Auslegungsentscheidung, konstituiert und auch das ohne ausreichende gesetzliche Grundlage“, bemerkte AfW-Vorstand Norman Wirth. Votum-Vorstand Martin Klein bezeichnete den vorliegenden Entwurf als Mogelpackung, da nahezu ausschließlich Vorgaben in die Gestaltung der Vertriebsvergütung formuliert werden.

Von Seiten des Verbraucherschutzes fällt die Bewertung des vorliegenden Entwurfs wesentlich positiver aus. „Wir bekommen den Eindruck, dass die BaFin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, erklärte BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.

Merkblatt greift zu kurz

In ihrem Merkblatt-Entwurf hatte die BaFin einen zukünftigen risikoorientierten Aufsichtsansatz angekündigt. Dieser sieht vor, dass Versicherer, die im Branchenvergleich mit besonders hohen Effektivkosten hervorstechen, genauer unter die Lupe genommen werden sollen. Auch Gesellschaften, deren Provisionen im oberen Viertel der Branche angesiedelt sind, sollen stärker in den Fokus der Finanzaufsicht geraten.

Allerdings ist auch der BdV mit dem Entwurf der BaFin nicht vollkommen zufrieden. In ihrer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme weisen die Verbraucherschützer auf zahlreiche Punkte hin, in denen das Merkblatt in seiner jetzigen Form ihrer Meinung nach zu kurz greift.

So bemängelt der BdV unter anderem, dass die BaFin von einer Inflationserwartung von zwei Prozent ausgehe. So setzt die BaFin voraus, dass kapitalbildende Lebensversicherungen eine Rendite erzielten, „die über einer begründeten langfristigen Inflationserwirkung liegt“. Der hier als geeignet angesehene Wert von zwei Prozent ist aus Sicht des BdV viel zu niedrig.

Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen.
Stephen Rehmke

Auch die Tatsache, dass die BaFin keine Konsequenzen für Verstöße gegen die Wohlverhaltensregeln formuliert, sorgt für Missfallen. Damit die BaFin sanktionieren könne, beispielsweise in Form von Produktinterventionen oder Vertriebsverboten, brauche es klar formulierte Schwellenwerte. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.

Öffentliches Vergleichsportal

Um die Kunden bereits vor Abschluss eines Produkts mit zu hohen Abschlusskosten zu schützen beziehungsweise zu warnen, schlägt der BdV ein öffentliches Portal vor, in dem für den Kunden alle Tarife mit den unterschiedlichen Kosten aufgeführt sind. So könnten diese selbst bewerten, „inwieweit höhere Kosten für mehr Beratungsleistungen in Kauf zu nehmen sind.“ Als Vorbild schwebt dem BdV dabei ein Vergleichsportal vor, wie es in die Bundesregierung für Girokonten plant. Noch ist die geplante staatliche Vergleichswebsite, die von der BaFin aufgebaut werden soll, jedoch keine Realität.

Ob und in welchem Umfang die BaFin die Vorschläge des BdV berücksichtigt, bleibt abzuwarten. Derzeit prüft die Finanzaufsicht sämtliche bei ihr eingegangenen Eingaben, auch diejenigen von Vermittler- und Versichererseite.

Auf dem Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung in der vergangenen Woche machte Frank Grund, BaFin-Exekutivdirektor für den Versicherungsvertrieb, jedoch deutlich, dass eine Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln bedeutsam für die Verhinderung eines Provisionsverbots sei, wie es auf europäischer Ebene derzeit diskutiert wird.

Wenn wir es noch nicht einmal schaffen, Exzesse in der Provisionsgestaltung angemessen einzudämmen, dann ist aus meiner Sicht der Branche nicht mehr zu helfen.
Frank Grund

Süddeutsche Zeitung

„Wenn wir es noch nicht einmal schaffen, Exzesse in der Provisionsgestaltung angemessen einzudämmen, dann ist aus meiner Sicht der Branche nicht mehr zu helfen“, wird Grund in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Und weiter: „Wenn das jetzt nicht klappt, dann kann man europäischen Argumenten kaum noch etwas entgegenhalten.“