Policen auf dem Prüfstand

So lässt sich die Unterversicherung vermeiden

Durch Preissteigerungen geraten viele Versicherungspolicen auf den Prüfstand. Vermittler müssen aufklären, damit existenzielle Risiken weiter abgedeckt bleiben und eine Unterversicherung vermieden wird.

12:04 Uhr | 18. April | 2023
Holzklötze unter einem Schirm

Durch die Inflation denken immer mehr Menschen über Kürzungen beim Versicherungsschutz nach. Hier sollten Berater umfassend informieren.

| Quelle: AndreyPopov

Die Inflation führt dazu, dass immer mehr Menschen über Kürzungen beim Versicherungsschutz nachdenken. „Wenn Einsparungen nötig sind, landen viele schnell bei Versicherungen“, sagt Dirk Schmidt-Gallas, Leiter der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher. Im Oktober 2022 veröffentlichte die Unternehmensberatung eine Studie, in der die Folgen der Inflation für Versicherer und Kunden untersucht wurden. Das Ergebnis verdeutlicht die Brisanz für die Branche: 65,7 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Zahlwille für Versicherungen durch die Inflation gesunken ist.

Kfz-Tarife um 10 bis 30 Prozent teurer

Schlechte Nachrichten für Versicherer, die selbst mit erhöhtem Preisdruck kämpfen und Wege finden müssen, diesen an Kunden weiterzugeben. Gerade in der Schaden- und Unfallversicherung (Erst- und Rückversicherer) sind die Schadensummen im Leistungsfall, wegen anziehender Preise für Material, Man-Power, zunehmender Cyber-Attacken und häufiger Naturkatastrophen stark gestiegen. Ohne Prämienerhöhungen geht das nicht. Das hat sich in den letzten Monaten schon bei Kfz-Policen gezeigt, wo sich einige Tarife um 10 bis 30 Prozent verteuerten. Zwei Anbieter, die vorgeprescht sind, sind die Allianz und E+S Rück. Und auch bei Wohngebäude-Policen stehen Preissprünge an. Zum einen wegen des Anpassungsfaktors, den Versicherer weitergeben müssen, wenn Gebäude zum gleitenden Neuwert versichert sind (2023: fast 15%). Zum anderen durch Prämienanpassungen, um gestiegene Kosten zu kompensieren. Manche Anbieter wie die Gothaer Allgemeine und VHV nutzen bereits beide Möglichkeiten und andere dürften folgen.

„Jedes Haus wird sich mit der Inflation beschäftigen müssen“, sagt Frank Gehrig, Partner und Versicherungsexperte bei Simon-Kucher. „Wir gehen davon aus, dass sich das Preisniveau bei Schadenkosten nach oben bewegt und ein Marktphänomen wird und Versicherer in puncto Beitragsanpassungen zunehmend auch in den Bestand gehen werden.“

Makler sollten Prioritätenliste erstellen

Auch wenn Teuerungen kein attraktiver Aufhänger sind, sollten Berater diese nutzen, um beim Kunden eine Bestandsaufnahme anzuregen – mit dem Ziel, Einsparpotenzial aufzuzeigen, ohne wichtigen Schutz zu riskieren. Denn hier liegt eine große Gefahr: „Die hohe Inflation wird oft nur kurzfristig gesehen, wirkt sich aber langfristig aus und birgt die Gefahr einer Unterversicherung in bestehenden Policen“, warnt Schmidt-Gallas. „Man muss bedenken, dass der Absicherungsbedarf bei Abschluss niedriger war und insofern andere Berechnungsparameter zugrunde gelegt wurden.“

Anhand einer Prioritätenliste können Berater die einzelnen Versicherungen durchgehen und vor Stolperfallen warnen. „Während manche Kunden beim Thema Hausrat überlegen, ob sie die Kosten im Schadensfall nicht selbst tragen könnten, sind sie gut beraten, essenzielle Policen wie eine Altersvorsorge, Haftpflicht oder eine BU-Police besser nicht aufzukündigen“, sagt Gehrig.

Sparpotenzial können Berater dafür anderswo aufzeigen. Etwa, indem sie Altverträge auf unnötige Zusatzleistungen (Rabattschutz, Mobilitätsgarantie, Extra-Geräteversicherungen) überprüfen und mit neuen Angeboten vergleichen, die womöglich bessere Konditionen bieten. Weitere Spar-Optionen können zudem eine höhere Selbstbeteiligung sein, Jahres-Prämienzahlungen, eine Kredit-Bündelung oder Vereinbarungen, wie eine Werkstattbindung oder die Angabe genauer Fahrleistungen bei der Kfz-Police.

Kündigung ist nicht immer die beste Wahl  

Bevor eine Police gekündigt wird, um einen finanziellen Engpass zu kompensieren, sollte der Berater Alternativen aufzeigen. Dazu zählt der Verkauf oder das temporäre Ruhigstellen. Denn nicht immer ist Kündigung die beste Wahl, selbst wenn die Police tatsächlich nicht (mehr) nötig ist. Gerade bei einer Lebensversicherung können sich die Nachteile schnell summieren. Denn neben einem Betrag für den bisherigen Risikoschutz müssen auch die Kosten für Vertrieb und Verwaltung abgetreten werden. Zudem entfallen weitere Überschüsse und der Schlussbonus.

Mit einem guten Berater können Kunden auch in Zeiten hoher Inflation gewinnen. Diesen Mehrwert gilt es zu vermitteln, wobei Fachwissen und aktives Mitdenken Pluspunkte sind, ebenso wie Ehrlichkeit. Das sollten sich Berater vor Augen halten und klar kommunizieren, falls sie bei einigen Policen, die sie dem Kunden verkauft haben, zurückrudern und Abstriche vorschlagen. Schließlich hat die Inflation viele Vorzeichen geändert. „Früher ging es in erster Linie um Wohlstandsaufbau, jetzt geht es mehr um existentielle Absicherung“, sagt Schmidt-Gallas.