EU-Entscheidung

Provisionsverbot ist vom Tisch – vorerst

Die EU hat das Provisionsverbot gekippt, sich aber eine Hintertür offengehalten. Ein Experte glaubt, dass es sich nur um „ein Verbot auf Raten“, handelt. Die Gefahr sieht man auch in der Branche.

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12:04 Uhr | 28. April | 2023
EU-Kommissarin Mairead McGuinness

Hat gegen das Provisionsverbot entschieden: EU-Kommissarin Mairead McGuinness. Sie fordert aber weiterhin: „Es sollte verschärfte Bestimmungen geben, wann Provisionen gezahlt werden – und wann nicht.“

| Quelle: thierry monasse

Es kommt einem Paukenschlag gleich: EU-Kommissarin Mairead McGuinness verzichtet auf ein Provisionsverbot. Das erklärte sie am Donnerstag in ihrer Rede beim Eurofi Highlevel Seminar in Stockholm. Die Kritik an einem möglichen Provisionsverbot wurde zuletzt immer lauter. Wissenschaftler kritisierten vehement die Kantar-Studie, auf dessen Grundlage die EU für ein Provisionsverbot argumentiert. Die Studienergebnisse seien „banal“, würden fehlinterpretiert und hielten einer Überprüfung nicht stand.

Die EU kommt jetzt offenbar jenen Kritikern nach, die vehement gegen ein Verbot argumentiert haben. Ein vollständiges Verbot sei demnach „zu disruptiv“, die Kommissarin wolle nun auf andere Maßnahme setzen. „Auch wenn wir jetzt kein Provisionsverbot vorschlagen, bedeutet das keinen Freifahrtschein für den Finanzsektor“, warnt sie und fordert strengere Maßnahmen.

Verbände reagieren zunächst erleichtert auf die Entscheidung: „Wir begrüßen diesen richtigen Schritt und werden den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eng begleiten“, erklärt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK).

Eine kleine Hintertür hat sich McGuinness jedoch vorbehalten: Im Gesetzesentwurf soll eine Klausel enthalten sein, die ein Verbot zu einem späteren Zeitpunkt möglich machen könnte, falls nötig, wie die EU-Kommissarin erklärt. Am 24. Mai will sie weitere Details in der Kleinanlegerstrategie vorstellen.

Verbot auf Raten?

Die Klausel ist auch der Grund, warum laut Axel Kleinlein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (BdV), ein Verbot längst noch nicht vom Tisch sei: „Den Paukenschlag sehe ich nicht, die Branche bekommt eine letzte Schonfrist“, so Kleinlein. Er sei überzeugt: „Wenn die Branche nicht spurt, kann das Verbot kommen und zwar schneller als manch einer denkt.“ Die Entscheidung für ein Verbot könnte seiner Ansicht nach dann auf niedrigerer Ebene gefällt werden, ohne dass Interessenvertreter dann noch Einfluss nehmen könnten. Es handele sich um ein Verbot auf Raten, „die Daumenschrauben werden angezogen“.  

procontra-Umfrage

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hegt Hoffnungen, dass durch die Review-Klausel das Provisionsverbot „mittelfristig doch noch erreicht werden kann“, sagt Dorothea Mohn, vzbv-Leiterin Team Finanzmarkt. Zumal McGuinness immerhin ein Provisionsverbot für beratungsfreie Käufe (Exekution Only) vorgeschlagen habe, das sei eincFortschritt. Kleinlein und Mohn sehen damit die aktuelle Entwicklung längst nicht so pessimistisch wie andere Verbraucherschützer.

„Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet“, kritisiert Britta Langenberg von der Bürgerbewegung Finanzwende, die sich für ein Verbot eingesetzt haben. Sie wirft McGuinness vor, sie sei vor der Finanzlobby eingeknickt. Die Entscheidung sei für Verbraucher eine bittere Botschaft: „Ihnen werden weiter zu viele teure und ineffiziente Produkte verkauft, die ihre Altersvorsorge schmälern.“ Es sei an der Zeit gewesen, den Übergang zur Beratung gegen Honorar anzustoßen. Bei einem Honorar sei eher gewährleistet, dass das Kunden-Interesse wirklich im Vordergrund steht.

Runder Tisch und verschärfte Transparenzpflichten

Derweil begrüßt der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) die Entscheidung zu einem „möglichen Verzicht auf ein europaweites Provisionsverbot“. McGuinness habe in ihrer Rede allerdings klargestellt, dass sie auf strengere Vorschriften setzt. So sollen die Bedingungen, unter denen Vergütungsanreize zulässig sind, verschärft und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis sichergestellt werden. Eine geeignete, preisgünstige und leicht verständliche Beratung solle für alle Verbraucher zugänglich sein, fordere die Kommissarin. Sie habe in ihrer Rede ebenfalls einen Runden Tisch angekündigt, unter anderem mit Vertretern der Branche und des Verbraucherschutzes.

Berater sollen zudem die Kosten transparent offenlegen müssen. „Es sollte eine bessere Auflistung der Kosten geben, damit Verbraucher leichter verschiedene Optionen vergleichen können“, sagte McGuinness. Die Finanzaufsicht solle künftig kontrollieren, dass die geforderte Transparenz auch eingehalten wird. „Die Forderung nach weiteren Offenlegungspflichten sehen wir als Chance für die Branche“, sagt hingegen BVK-Präsident Heinz. Auch der AfW erklärt, er trage viele der genannten Forderungen mit. Letztlich komme es aber auf die Umsetzung an, erklärt der Verband. „Mehr Bürokratie und Verbote sind dabei sicherlich nicht hilfreich“, so Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW.

McGuinness schwebt eine Art "Durchregieren" der europäischen Kommission vor. Das ist bei einem Thema von dieser Bedeutung nicht akzeptabel.
Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa (Votum)

Verbraucherschützerin Mohn glaubt indessen nicht, dass mehr Kostentransparenz das Problem von Falsch- und Fehlberatungen lösen könne. Der Handlungsdruck auf die EU werde bestehen bleiben. Aus diesem Grund geht sie davon aus, dass das Provisionsverbot mittelfristig doch noch kommen wird.

Tatsächlich macht die Revisionsklausel auch den Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa (Votum) durchaus nervös. „Wir werden auch bei der zum 24.05.2023 angekündigten Gesetzesvorlage kritisch darauf achten, dass dieses Nebeneinander beider Vergütungssysteme weiterhin Berücksichtigung findet“, betont der Verband auf Nachfrage. Die angekündigte Klausel wolle man kritisch beurteilen. Votum wirft McGuinness vor, ihr schwebe „eine Art "Durchregieren" der europäischen Kommission“ vor. Das sei bei einem Thema von dieser Bedeutung nicht akzeptabel.