„Die Zahl der Lebensversicherer wird weiter schrumpfen“

BaFin-Chef Felix Hufeld rechnet mit einer fortschreitenden Konsolidierung des LV-Markts. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein – gegenüber procontra haben weitere Experten ihre Prognosen zur Zahl der Anbieter abgegeben. Mit welchen Effekten müssen Vermittler rechnen?

07:07 Uhr | 31. Juli | 2020
Konsolidierung: 80 LV-Anbieter gibt es zurzeit. Deren Zahl wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich verkleinern.

Konsolidierung: 80 LV-Anbieter gibt es zurzeit. Deren Zahl wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich verkleinern. Bild: Abdobe Stock

„Es gibt einen Trend zur Konsolidierung, das ist klar. Ob wir in zehn Jahren bei 75 oder 65 Unternehmen sind, das muss der Markt entscheiden“, fasste jüngst BaFin-Chef Felix Hufeld die Lage der deutschen Lebensversicherer zusammen. Die „Capital“ hatte ihn in einem Interview gefragt, für wie viele der derzeit 80 Anbieter langfristig noch Platz sein wird. Auf eine genaue Zahl wollte sich Hufeld nicht festlegen. Dass es einen weiteren Schrumpfkurs geben wird, steht für den obersten Finanzaufseher aber außer Frage.

Die Zahl der deutschen Lebensversicherer ist – mit geringen Schwankungen – den Zahlen der BaFin zufolge seit 1995 kontinuierlich gesunken. Nach einem Höchststand von damals 121 Anbietern pendelte sie sich zuletzt bei zwischen 80 und 84 Versicherern ein. Auch die Corona-Krise setzt den Anbietern zu und könnte absehbar zu einer wachsenden Zahl von Bestandsverkäufen an Run-Off-Unternehmen führen.

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Die Entwicklung, dass sich absehbar die schwächeren Anbieter zusammenschließen, beobachtet er kritisch. „Wenn ein Problemfall einen anderen übernimmt, wird noch kein Gesunder daraus“, sagte er gegenüber der „Capital“ weiter. „Wir als Bafin müssen von der Risikotragfähigkeit überzeugt sein, sonst genehmigen wir solch einen Zusammenschluss nicht.“ Eine andere Möglichkeit sei, Versicherungsbestände an Abwicklungsunternehmen zu verkaufen, so sein Verweis auf das in den vergangenen Jahre zulegende Run-Off-Geschäft. „Das kann ein sinnvoller Schritt sein, um die Interessen der Kunden zu wahren – im Vergleich zu einer möglichen Insolvenz. Ich mache hier wohlgemerkt keine Werbung für Bestandsverkauf. Ich sage nur: Es ist eine legitime Option – neben anderen –, um Unternehmen zu stabilisieren.“

„Qualität der Anbieter driftet auseinander“

Mit seiner Einschätzung zur weiteren Konsolidierung des Lebensversicherungsmarkts steht Hufeld indes nicht allein da. „Auch wir sehen einen deutlichen Trend zur Konsolidierung in der Lebensversicherung“, sagt LV-Experte Henning Kühl, Chefaktuar bei Policen Direkt, gegenüber procontra. „Noch stärker als bei der Zahl der Gesellschaften zeigt sich das auf Produktebene. Abseits der großen Konzerne setzen immer mehr auf Spezialisierung und komplettieren das Angebot dann unter Umständen durch Kooperationen mit anderen Versicherern.“

Auch Michael Hauer, Professor für Finanzmärkte und Financial Planning und Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), teilt die Prognose des BaFin-Präsidenten. „Ich stimme Herrn Hufeld uneingeschränkt zu, es werden höchstwahrscheinlich weniger Lebensversicherer sein. Bei der Frage wie viele Lebensversicherer in zehn Jahren noch da sein werden, kann ich heute keine seriöse Einschätzung abgeben.“ Konsolidierung bewertet er aber nicht per se negativ. Ein Zusammenschluss zweier Versicherer könne durchaus für alle Seiten positive Effekte mit sich bringen.

Auf Makler und Kunden wird sich die Konsolidierung aber Hauers Einschätzung nach „wenig oder überhaupt nicht“ auswirken – „solange noch genügend Wettbewerber auf dem Markt sind“. Problematischer beurteilt der Experte den von ihm beobachtet Umstand, dass die Qualität der einzelnen Anbieter stärker auseinanderdivergiert: „Die Guten werden immer besser und die weniger Guten verlieren immer mehr den Anschluss. Dieser Trend wird durch die kostspieligen Herausforderungen der Zukunft wie der Digitalisierung verstärkt.“ Daher lohne sich ein Blick auf Ratings und Vergleiche.

Erleichtert die Konsolidierung Maklern das Leben?

Henning Kühl von Policen Direkt sieht derweil einen Effekt der LV-Konsolidierung auf die Vermittlung – und zwar im positiven Sinne: „Für unabhängige Makler und deren Back-Office bedeuten weniger Anbieter, gegenüber denen der Kunde vertreten werden muss, Erleichterungen bei Antrags-, Änderungs- und Meldeprozessen.“ Gerade in der Lebensversicherung seien spezialisierte Partner tendenziell ein Garant dafür, dass langfristige Verträge auch in ferner Zukunft erfüllt werden könnten. Die Schattenseite der Entwicklung: „Marktkonzentration bedeutet aber auch gesteigerte ‚Lieferantenmacht‘ und geringere Auswahlmöglichkeiten“, so Kühl.

Bereits jetzt sind die Marktanteile alles andere als gleichmäßig verteilt. Zwar war das vergangene Jahr für den LV-Markt mit einem überdurchschnittlichen Wachstum der Beitragseinnahmen ein erfreuliches. Davon profitieren konnten allerdings längst nicht alle Anbieter (procontra berichtete). So baute die Allianz ihre dominierende Position am Markt weiter aus, indem sie ihren Marktanteil auf 29,26 Prozent (Vorjahr: 23,35 Prozent) steigerte.