Interview mit Frankfurter-Leben-Vorstand

Run-off 2025: „Der Lebensversicherungsmarkt ist immer noch überfragmentiert“

Durch den Einstieg eines Konsortiums aus Allianz, Blackrock und T&D Holdings bei Viridium könnte der Run-off-Markt hierzulande wieder an Fahrt gewinnen. Warum Bernd Neumann, Vorstand bei der Frankfurter Leben, den neuen/alten Konkurrenten nicht fürchtet, warum die Zeichnung von Neugeschäft für ihn keine Option ist und welche Lebensversicherer für ihn interessant sind, erklärt er im Gespräch mit procontra.

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09:05 Uhr | 28. Mai | 2025
Frankfurter-Leben-Chef Bernd Neumann

Frankfurter Leben-Vorstand Bernd Neumann geht von einer Belebung des Run-off-Marktes in Deutschland aus. Ein Grund hierfür: die starke Fragmentierung des Marktes.

| Quelle: Frankfurter Leben

procontra:

Herr Neumann, mit dem Einstieg von Allianz und BlackRock bei Viridium scheint Bewegung in den Markt zu kommen. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen?

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Bernd Neumann:

Ich sehe darin definitiv eine Belebung. Viridium ist nach dieser Transaktion wieder voll transaktionsfähig, was den gesamten Markt stimuliert. Ein funktionierender Markt braucht mehrere aktive Akteure – auf beiden Seiten. Das ist jetzt wieder gegeben.

procontra:

Laut Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungsberatung von Willis Towers Watson für Nord-, Zentral- und Osteuropa, ist künftig mit einer Run-off-Transaktion pro Jahr zu rechnen. Teilen Sie diese Einschätzung?

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Neumann:

Ich halte das für eher konservativ. Das Run-off-Geschäft ist kein Tagesgeschäft wie das LV-Neugeschäft. Es kann mehrere Deals in kurzer Zeit geben – oder über Monate keine einzige Transaktion. Aber grundsätzlich würde ich zustimmen: Mindestens eine pro Jahr ist realistisch.

Die Bestandsversicherer haben sich erfolgreich im Markt etabliert. Die Bestände sind stabil und sie zahlen mit die höchsten Überschussbeteiligungen im Markt. Ich kenne keinen Lebensversicherer, der eine höhere laufende Überschussbeteiligung hat als die Frankfurter Leben. Ich kenne auch keine Pensionskasse, die eine höhere laufende Verzinsung für die Kunden gewährt als die Prudentia.

procontra:

Was sind derzeit die Hauptgründe für Versicherer, Bestände abzugeben?

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Neumann:

Drei Treiber dominieren: Erstens und gleichzeitig der wichtigste Treiber: das tendenziell rückläufige Neugeschäft, das sich auf wenige Anbieter konzentriert. Zweitens, steigende Fixkosten bei gleichzeitig schrumpfenden Beständen. Und Drittens: die veraltete IT vieler Anbieter, die umfassende Investitionen nötig macht – die sind häufig wirtschaftlich jedoch nicht tragbar bei schwindendem Neugeschäft. Die regulatorischen Anforderungen steigen deutlich. Solvency II ist etabliert, aber die Anforderungen an IT und Risikomanagement nehmen weiter zu. DORA ist hier das nächste Stichwort. Auch das Neugeschäft ist heute viel komplexer reguliert als noch vor ein paar Jahren.

procontra:

Rechnen Sie mit einer fortschreitenden Konsolidierung im LV-Markt?

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Neumann:

Absolut. Der deutsche Lebensversicherungsmarkt ist immer noch überfragmentiert – mit über 80 Anbietern aus Deutschland. Hinzu kommen einige Anbieter aus dem europäischen Ausland. Viele davon schreiben kaum noch Neugeschäft, Pensionskassen eingeschlossen. Da wird sich einiges bewegen.

procontra:

Als Bestandsabwickler sinkt bei Ihnen zwangsläufig über die Jahre der Bestand der verwalteten Verträge. Die letzte Transaktion haben Sie im Januar 2024 verkündet. Warum ist seitdem nichts mehr von Ihnen zu hören gewesen?

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Neumann:

Wir haben sechs Transaktionen abgeschlossen – mehr als jede andere Plattform. Zwei davon wurden zum Jahreswechsel 2023/24 geclosed. Seitdem haben wir intensiv an der Integration der Bestände gearbeitet. Parallel sind wir weiter akquisitionsbereit und führen Gespräche. M&A-Transaktionen brauchen ihre Zeit.

procontra:

Und wie viele Verträge verwalten Sie aktuell?

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Neumann:

Derzeit rund 650.000 Verträge. Das ist eine solide Größe im deutschen Markt. Wir gehen davon aus, dass wir trotz Ablauf der Altverträge in Summe weiter wachsen werden.

procontra:

Athora-Chef Mike Wells erklärte vor kurzem in einem Gespräch mit dem Handelsblatt, perspektivisch in Deutschland auch Neugeschäft schreiben zu wollen. Ist das auch für Sie eine denkbare Option?

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Neumann:

Nein, dazu machen wir uns derzeit absolut keine Gedanken.  Wir fühlen uns in der Rolle des Bestandsversicherers sehr wohl und sehen uns gut aufgestellt, um echten Mehrwert zu schaffen.

procontra:

Ihre letzten Bestandsübernahmen waren – im Vergleich zu den gescheiterten Übernahmen von Viridium – eher klein. Waren das bewusste Entscheidungen Ihrerseits oder gab der Markt nicht mehr her?

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Neumann:

Alle von uns durchgeführten Transaktionen sind bewusste Entscheidungen. Mit unserer Plattform sind wir in der Lage, auch kleinere Transaktionen erfolgreich vorzunehmen. Wichtig ist jedoch schon eine Mindestgröße. Denn jede Übernahme verursacht Kosten. Aufwand und Nutzen müssen dann in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Gerade kleinere und mittlere Bestände profitieren besonders von unserer Plattform, weil dann schließlich auch die Fixkosten geteilt werden können.

procontra:

Werden solche Transaktionen dann auch eher von der BaFin bewilligt?

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Neumann:

Die BaFin prüft jede Transaktion auf Herz und Nieren und nach den gleichen Prinzipien. Bei jeder Transaktion muss sichergestellt sein, dass die Leistungen für den Kunden auch zukünftig erbracht werden können und dieser nicht schlechtergestellt wird. Und natürlich wird geprüft, ob die Eigentümerstruktur im Falle der Fälle Nachschüsse garantieren kann. Das gilt für große und für kleine Transaktionen gleichermaßen. Und das ist gut so!

procontra:

Sind Sie auch an größeren Beständen interessiert?

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Neumann:

Ja, definitiv. Große Transaktionen wie bei der Generali/Proxalto sind selten. Unsere Plattform ist jedoch so aufgestellt, dass wir auch größere Transaktionen erfolgreich durchführen können.

procontra:

Mit der Allianz, Blackrock und T&D Holdings steht nun ein finanzstarkes Konsortium hinter ihrem Wettbewerber Viridium. Wird das Einfluss auf die Preise im Markt für Bestände haben?

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Neumann:

Nein, nur die Zahlungskraft allein ist irrelevant. Eine Transaktion ist immer nur dann erfolgreich, wenn sie sowohl für den Verkäufer als auch den Käufer attraktiv ist. Allein die Tatsache, dass jemand zahlungskräftig ist, bedeutet ja nicht, dass dieser ungerechtfertigt hohe Preise bezahlt.

procontra:

Sie sehen durch den Einstieg der neuen Eigentümer also keine größere Konkurrenz für sich?

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Neumann:

Viridium war schon immer ein sehr ernstzunehmender Mitbewerber für uns – das gleiche gilt für Athora. Ich denke, es ist gut, dass es mehrere Run-off-Plattformen gibt, so dass sich ein Markt herausbilden kann. Am Ende wird sich immer individuell entscheiden, wer bei einer Transaktion den Zuschlag erhält.