Folgen des Zinsanstiegs

BaFin beendet intensivierte Aufsicht der Lebensversicherer

Die Zinsen steigen, das hat durchaus auch positive Folgen für die Lebensversicherer. Allerdings sind plötzliche und hohe Zinsänderungen auch mit Risiken für die Anbieter verbunden, warnt die BaFin.

Author_image
10:05 Uhr | 08. Mai | 2023
Zinanstieg

Der höhere Leitzins hat Folgen für die Lebensversicherer. Während die Solvenzquoten steigen, könnte das allerdings auch für die Stornoquoten gelten. Die BaFin mahnt zur Vorsicht.

| Quelle: niserin

Lange beobachteten die Finanzaufseher mit Argusaugen die Folgen der Niedrigzinsphase auf die Lebensversicherer. Mit der Zinswende hat sich der Fokus nun verschoben. Seit dem vergangenen Jahr steigen die Zinsen wieder, aktuell liegt der Leitzins in Europa bei 3,75 Prozent.

Mit Folgen für das Geschäftsmodell der Lebensversicherer: Zinsänderungen haben schließlich einen direkten Effekt auf die Solvenzquoten der Anbieter. Erstmals seit der Einführung von Solvency II verfügten im 2. Quartal vergangenen Jahres alle Lebensversicherer über eine hinreichende Solvenzkapitalbedeckung – und zwar auch ohne die Übergangsmaßnahmen nutzen zu müssen. Ende 2022 war nur ein Anbieter ohne Anwendung von Übergangsmaßnahmen unterdeckt, andere Lebensversicherer verzichten mittlerweile sogar auf die Anwendung der Maßnahmen.

Mittlerweile hat die Finanzaufsicht keine Lebensversicherer mehr unter intensivierter Aufsicht, schreibt die BaFin im aktuellen BaFin-Journal. Zu Jahresanfang war noch die Rede von 15 Lebensversicherern gewesen. Aber: „Lebensversicherer, die besonders sensitiv auf Zinsänderungen reagieren, begleitet die BaFin weiterhin im Rahmen der regulären laufenden Aufsicht“, erklärt die Behörde.

Erschwerte Liquiditätsplanung

Zumal wenn die Zinsen stark und plötzlich steigen, seien damit Risiken für die Lebensversicherer verbunden. „Auch ein zu abrupter Zinsanstieg kann zu Verwerfungen führen“, warnte Frank Grund, BaFin-Exekutivdirektor, auf der Veranstaltung „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“. Schließlich wählen Kunden – auch vor dem Hintergrund der hohen Inflation – dann im Zweifel attraktivere Anlagemöglichkeiten. Das hätte negative Folgen für das Neugeschäft. Derzeit werden bereits weniger Policen gegen Einmalbeiträge abgeschlossen. Bestandskunden wiederum könnten ihre Beiträge pausieren, ihre Policen beitragsfrei stellen.

Eine Gemengelage, die die Liquiditätsplanung für die Lebensversicherer nicht einfacher macht. Eine Untersuchung der BaFin zeigt allerdings: Noch verfügen die Unternehmen über genügend liquide Kapitalanlagen, mögliche zusätzliche Liquiditätsanforderungen sollten damit vorerst kein Problem sein.

Aus stillen Reserven werden Lasten

Ein anderes Risiko stellen die stillen Lasten dar: Durch die gestiegenen Zinsen sind die Marktwerte der gehaltenen festverzinslichen Kapitalanlagen gesunken. Das lässt die stillen Reserven schmelzen und stille Lasten ansteigen. Solange die stillen Lasten in erster Linie eine Folge des Zinsanstiegs sind und die Versicherer ihre Anlagen halten, drohen keine negativen Auswirkungen. Müssten die Anbieter ihre stillen Lasten hingegen realisieren, weil ihre Liquidität zum Beispiel durch eine höhere Stornoquote knapp wird, könnte das wieder anders aussehen.

Eine positive Nachricht für Versicherungsnehmer: Die Unternehmen werden durch die Zinswende ihre Zinszusatzreserve (ZZR) peu à peu auflösen, im vergangenen Jahr wurden bereits rund vier Milliarden Euro aufgelöst. Die ZZR lag Ende 2022 bei 92 Milliarden Euro. Wird die ZZR also aufgelöst, bekommen die Versicherungsnehmer mehr Geld ausgezahlt. Nach Jahren sinkender Überschussbeteiligungen haben erste Lebensversicherer ihre Überschussbeteiligung für das Jahr 2023 moderat erhöht.

Die BaFin erwartet von den Lebensversicherungsunternehmen, dass diese sorgfältig abwägen, inwieweit sie die freiwerdenden Mittel aus dem ZZR-Abbau nutzen, um die Überschussbeteiligung sofort zu erhöhen. Demnach sollen die Anbieter ihre Widerstandsfähigkeit beziehungsweise Risikotragfähigkeit weiter ausbauen. Angesichts der volatilen Gesamtsituation, Stichwort: Krieg, Inflation, Klimawandel und die jüngsten Ereignisse an den Finanzmärkten, ist das sicher kein schlechter Ratschlag.