Rechnungszinsanhebung: Kommt jetzt das Anti-Jahresendgeschäft?
Zum 1. Januar 2025 geschieht etwas Außergewöhnliches: Der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung wird erstmals seit Jahrzehnten angehoben, und zwar von 0,25 Prozent auf 1 Prozent. Dieses Ereignis ist in der heutigen Versicherungslandschaft beispiellos. Das letzte Mal stieg der Höchstrechnungszins 1994, damals von 3,5 auf 4 Prozent.
Die Anhebung bringt auf den ersten Blick klare Vorteile für Kundinnen, Kunden und Vertrieb mit sich: Es eröffnen sich Chancen für niedrigere Prämien und höhere Garantien. Es ist absehbar, dass der Markt diese Möglichkeiten weitestgehend an die Kunden weitergeben wird. Jedoch stellt dieser Wechsel besonders den Vertrieb vor Herausforderungen. Bisher war das Jahresendgeschäft in der Lebensversicherung durch Senkungen des Höchstrechnungszinses geprägt. Kunden wollten sich noch schnell die alten, höheren Zinssätze sichern, was zu Spitzen in den Abschlüssen am Jahresende führte. Oftmals handelt es sich dabei um einen Vorzieheffekt, der im Folgejahr zu geringeren Vertragsabschlüssen führt.
Einbruch des Jahresendgeschäfts unwahrscheinlich
Wird dieses Jahr also ein „Anti-Jahresendgeschäft“ auf uns zukommen? Wie sollen Vermittler Kunden überzeugen, noch in diesem Jahr eine Berufsunfähigkeits- oder Rentenversicherung abzuschließen, wenn ab 1. Januar 2025 bessere Konditionen möglich sind? Ist ein Rückgang der Abschlusszahlen zu befürchten, weil viele Kunden abwarten?
Ein vollständiger Einbruch des Jahresendgeschäfts scheint mir jedoch unwahrscheinlich. Warum? Erstens hat der Höchstrechnungszins in der Altersvorsorge mittlerweile eine geringere Bedeutung. In Zeiten, in denen fondsgebundene Produkte dominieren, tritt die klassische Garantie zunehmend in den Hintergrund. Selbst wenn durch die Anhebung höhere Garantien möglich werden, muss das nicht zwangsläufig zu einer erhöhten Nachfrage führen. Die Auswirkungen auf die Rentenfaktoren sind jedoch nicht zu unterschätzen.
Zweitens bereiten sich viele Versicherer aktiv auf den Wechsel vor. Einige haben bereits seit Juli 2024 neue Produkte eingeführt, die ab dem 1. Januar 2025 gültig sind. Andere bieten ihren Kunden die Möglichkeit eines kostenlosen Wechsels zu den neuen Tarifen. Diese proaktiven Maßnahmen tragen dazu bei, den Übergang reibungsloser zu gestalten, und mögliche Unsicherheiten bei Kunden und Vermittlern zu reduzieren.
Es bleibt spannend, wie sich diese historische Anhebung des Höchstrechnungszinses auf die Branche auswirken wird. Klar ist: Ein signifikanter Rückgang der Abschlusszahlen zum Jahresende ist nicht zu erwarten. Dennoch müssen Vertriebsstrategien und Kundenansprachen neu überdacht werden, um die Herausforderungen des kommenden Jahres zu meistern.