Sozialpartnermodell: Der Tanz ums goldene Kalb

Spannende Entwicklungen zur Betriebsrente gibt es bei der reinen Beitragszusage. Die ersten beiden Sozialpartnermodelle starten gerade. Aber sind solche Modelle auch individuell machbar und nur dann echt?

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15:12 Uhr | 01. Dezember | 2022
Jürgen Bierbaum

„Jedes SPM muss eine individuell gestaltbare Lösung gemäß den Anforderungen der Sozialpartner bieten“, meint Jürgen Bierbaum, Vize-Vorstandschef der Alte-Leipziger-Hallesche-Gruppe und Vertreter des SPM-Konsortiums „Initiative Vorsorge“.

| Quelle: Pohl

„Die bAV schafft höhere Renditen durch Sozialpartnermodelle“, ermunterte Florian Toncar, parlamentarischer Staatssekretär im BMF, kürzlich auf der 23. bAV-Handelsblatt-Tagung in Berlin. Eine breitere bAV-Marktdurchdringung als aktuell rund 50 Prozent in der Privatwirtschaft verspricht sich die Politik durch Installation weiterer Sozialpartnermodelle (SPM) und deren Erweiterung auch auf nichttarifgebundene Firmen, die möglichst an große SPM-Tarifverträge andocken sollen.

„In der Altersvorsorge in Deutschland bewegt sich langsam etwas, aber zu langsam“, meinte Professor Oscar Goecke, Vize-Direktor des Instituts für Versicherungswesen der TH Köln und Mitentwickler der reinen Beitragszusage (rBZ). Noch immer halte sich hartnäckig das Vorurteil, dass Altersversorgung ohne Garantien nicht geht. „Das Gegenteil ist richtig“, stellte er während eines SPM-Fachforums auf der Handelsblatt-Tagung klar.

Niemand kann Altersvorsorge garantieren

Bei Garantien gehe es immer um befristete nominale Zinsgarantien, die jedoch keine sichere Altersversorgung garantierten. „Niemand kann sichere Altersversorgung garantieren“, so Goecke weiter. Echte Altersversorgung sei, wenn die nächste Generation von der heutigen Generation durch Leistung in ausreichendem Umfang Güter und Dienstleistungen in 30 Jahren bekommt. Kapitalgedeckte Altersversorgung könne hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Der kollektive Risikoausgleich, der durch SPM ermöglicht wird, folge dem „Talsperren-Prinzip“, sagte Goecke. Wenn es viel regnet, füllt sich die Talsperre, bei Trockenheit wird Wasser abgelassen, so dass insgesamt eine gleichmäßige Versorgung gewährleistet ist. Gerade bei Extremszenarien führe das Talsperren-Prinzip zu fairem Risikoausgleich zwischen Sparergenerationen und fairer Teilhabe am Produktionsfaktor Kapital.

Sozialpartnermodell nur individuell echt?

„Jedes SPM muss individuell sein“, sagte Jürgen Bierbaum, Vize-Vorstandschef der Alte-Leipziger-Hallesche-Gruppe und Vertreter des SPM-Konsortiums „Initiative Vorsorge“. Er meinte damit eine „individuell gestaltbare Lösung gemäß den Anforderungen der Sozialpartner“. Der Ausgleich in Kollektiv und Zeit begünstige ein stabiles Leistungsniveau. Die Gestaltung müsse für ein „echtes“ SPM individuell sein, etwa in Rendite-Risiko-Profil, Nachhaltigkeit, Pufferung und Asset Allokation. „Ohne diese Individualität wäre es eine gewöhnliche traditionelle bAV“, meinte Bierbaum. Dazu genüge die fondsgebundene Renten-Direktversicherung, erklärte er auf Nachfrage.

Ein echtes SPM bilde dagegen die individuellen Anforderungen der Sozialpartner ab. Doch wie soll sich das im Rahmen von Tarifverträgen mit Allgemeinverbindlichkeit umsetzen lassen? Auf Nachfrage gab Bierbaum keine klare Antwort für die „Initiative Vorsorge“, die bislang noch keinen SPM-Abschluss mit Sozialpartnern erreicht hat.

Aber ist hohe Individualität nicht kontraproduktiv für Wirtschaftlichkeit von SPM? Auch hier gab Bierbaum keine klare Antwort, betonte aber, dass sich ein SPM „ab etwa 50 Millionen Euro Fondsvolumen wirtschaftlich betreiben lässt“.

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Energie: unternehmensbezogener Tarifvertrag

Vom Herangehen beim gestarteten Energie-SPM berichtete Christian Remke, Sprecher der Geschäftsführung von Metzler Pension Management. Metzler habe frühzeitig einen gesonderten Pensionsfonds für SPM eingerichtet. Über diesen Metzler Sozialpartner Pensionsfonds haben Uniper, Ver.di, IGBCE und zwei AG-Verbände SPM einen „unternehmensbezogenen Verbandstarif“ geschaffen. Das SPM sei auch für andere Branchen offen, um durch große Kollektive Synergien zu schaffen.

Zunächst habe man einen Haus-Tarifvertrag bei Uniper im Blick gehabt, der später über die Arbeitgeberverbände auf breitere Basis gestellt wurde. Das Modell sei als „Game-Changer“ auch für Nicht-Tarifgebundene, andere Arbeitgeber, Verbände und Gewerkschaften nutzbar. Im Tarifvertrag sind feste Kriterien vereinbart, etwa der Grundbeitrag pro Beschäftigten und die Höhe des Sicherungsbeitrages. Variable Kriterien seien stets auf Ebene des Pensionsplans möglich. Sicherungsvermögen im dreistelligen Millionenbereich sei schon vorhanden, da die Kapitalanlage für die bAV von Uniper bereits seit sechs Jahren am Markt etabliert ist (garantierter Beitragsplan).

Opt-out für Neue, Opt-in für Alte

„Auf Wunsch der Arbeitnehmer von Uniper ist das SPM als offenes Modell konstruiert worden“, ergänzte Martin Eisele, Vizepräsident Pension Asset & Liability bei Uniper, auf der Tagung. Der Arbeitgeber finanziert die bAV, Arbeitnehmer könnten zusätzlich Entgelt umwandeln. Der Arbeitgeber-Beitrag in Höhe von 2,0 Prozent des Bruttogehalts sei aus dem alte garantierten Beitragsplan beibehalten worden. Arbeitnehmer haben die Wahl: Neuen Mitarbeitern wird nur die rBZ mit Opt-out angeboten, Bestandsmitarbeitern ein Opt-in oder Beibehaltung der alten bAV.

Die anfängliche Asset Allokation basiert auf einer bereits im Uniper-Konzern bestehenden Kapitalanlage. Als Puffer wurde eine Kapitalisierungsgrad von 112,5 Prozent gewählt. Das sei gut in der Krise und auch ein positiver Hebel im Kursaufschwung, so Eisele. Uniper berät die Arbeitnehmer selbst – über ein Kommunikationskonzept von Personal- und Finanzbereich. Wichtig sei dabei eine Modellrechnung im Vergleich zum alten Beitragsplan. Die Beratung erfolge über Betriebsversammlungen, Bereichs-Meetings, Intranet und persönliche Anschreiben.

Gewerkschaft: Keine verschlechternde Ablösung

„Das Wahlrecht ist wichtig, Arbeitnehmer dürfen im bisherigen bAV-Garantieangebot bleiben“, sagte Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bei Ver.di. Es gebe beim Energie-SPM „keine verschlechternde Ablösung“. Michael Mostert, Tarifjurist der IGBCE und nun frisch im Ruhestand, ergänzte für das Chemie-SPM: Sollten Arbeitgeber drängen, alte bAV-Zusagen aufzugeben und zum SPM zu wechseln, so sei dies mit hohen arbeitsrechtlichen Hürden verbunden.

Es gelte das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit, so Mostert weiter für die Chemie: Erst muss sich der Arbeitgeber für ein SPM entscheiden, dann der Arbeitnehmer für oder gegen Entgeltumwandlung, und dann für oder gegen die Teilnahme am SPM. Für neue Mitarbeiter sei das SPM jedoch sehr vernünftig. Der Blick in Tarif-Tabellen der Chemiebranche zeige: Garantien sind 2022 nur noch 25 Prozent dessen wert, was Garantien von 2002 versprochen haben. „Das SPM ist tendenziell der richtige Weg“, so Mostert.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Günther Weißenfels, Referatsleiter Grundsatzfragen der bAV bei der BaFin, hält „sechs Monate für eine vernünftige Zeit zur Prüfung“ von SPM durch die Aufsicht. Das SPM von Talanx und Ver.di ist jedoch schon 18 Monate in der BaFin-Prüfung – immer noch ohne Ergebnis. Offiziell wollte sich Weißenfels dazu nicht äußern, da die BaFin grundsätzlich keine Äußerungen zu konkreten Unternehmen in der Öffentlichkeit abgibt.

Branchenkennern zufolge gibt es noch immer Differenzen zur aufsichtsrechtlichen Behandlung bestandswirksamer Änderungen des Pensionsplans bei Änderungen des Tarifvertrages. Dazu konsultiert die BaFin im Moment wohl das BMF und auch das BMAS.

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