Fallende Zinsen

Sollte man jetzt Anleihen kaufen?

Die Welle an staatlichen Hilfsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs ebbt ab. Die Folgen für die Märkte sollten Finanzberater kennen.

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16:01 Uhr | 18. Januar | 2024
Sollte man jetzt Anleihen kaufen?

Wie heftig wird der Abschwung, wenn die staatlichen Geldspritzen in nächster Zeit abebben? Und wie sollte man im Falle mehrerer schneller Zinssekungen seine Geldanlage anpassen?

| Quelle: siraanamwong

In vielen Ländern rund um den Globus nimmt die Wachstumsdynamik ab. „Denn der Zuckerrausch der staatlich induzierten Stützungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie ebbt ab“, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Aber nicht nur während der Pandemie haben viele Regierungen mit geliehenem Geld um sich geworfen. Auch der Überfall Russlands auf die Ukraine trieb die Staatsverschuldung in zahlreichen Ländern in die Höhe.

Soft oder Hard Landing?

Jetzt, wo die Geldspritzen an haushaltspolitische Grenzen stoßen, fragen sich fast alle Marktteilnehmer: Wie heftig wird der Abschwung? Gelingt den USA eine sanfte Landung – sprich, wird der Absturz in eine Rezession vermieden? Und schlittert auch Europa in eine Rezession, nachdem Deutschlands Wirtschaftsleistung 2023 gesunken ist und Ökonomen auch für 2024 einen Rückgang für wahrscheinlich halten?

In den vergangenen Wochen haben die Märkte ein Soft-Landing eingepreist, meint Galler. Angesichts der jüngsten makroökonomischen Entwicklungen, aber auch riesiger Staatsschuldenberge in den USA und Europa, hält der Investmentstratege die Einpreisung von bis zu sechs Zinssenkungen für dieses Jahr für übertrieben. Noch sei das Inflationsrisiko nicht vollends gebannt. Zudem sei die Stimmung bei vielen Unternehmen nicht so positiv, um von einer Trendwende bei Investitionen zu sprechen. Hintergrund: Nur Investitionen führen zu einem nachhaltigen Aufschwung.

Zu früh für Zinssenkungen

Galler betont: „Sechs Zinssenkungen würden die Zentralbanken wohl nur im Fall einer Rezession vornehmen.“ Schnelle und massive Zinssenkungen werde es nicht geben. Preisdruck bestehe vor allem aufgrund von Lohnerhöhungen. Im Dezember sei die Inflationsrate sowohl in der Eurozone als auch in den USA sogar wieder gestiegen. Zwar dürften die Raten in den nächsten Monaten weiter zurückgehen, doch sechs Zinssenkungen in diesem Jahr seien einfach zu viel.

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Dazu passt, dass die EZB-Präsidentin Christine Lagarde mehreren Medien zufolge auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine erste Zinssenkung im Sommer ins Spiel gebracht hat – und nicht wie von Marktteilnehmern angenommen im Frühjahr. „Es ist ziemlich klar, dass die Märkte vorausgeeilt sind“, zitieren Medien die Präsidentin.

Schlussfolgerungen für Berater

Dem Investmentprofi Galler zufolge sind Anleihen weiterhin attraktiv. Sie sorgen für Stabilität im Portfolio – insbesondere bei einem stärkeren Abrutschen in Richtung Rezession. Gewiss ist der Zinserhöhungszyklus beendet. Das heißt: Mit dem Kauf von Anleihen sichern sich Anleger die jetzt noch relativ hohen Kupons. Längerfristige Anleihen sind zu bevorzugen. Auf jeden Fall sind Zinspapiere attraktiver als Cash.

Bei einem Soft-Landing dürften Aktien im Aufwind bleiben. Galler zufolge zeigen historische Betrachtungen von Zinszyklen, dass Aktien bei einer weichen Landung der Konjunktur nach der letzten Zinserhöhung außerordentlich positive Erträge erbracht haben. Allerdings besteht die Gefahr, dass es zu sinkenden Preisen auf breiter Front kommt. Das wäre kein gutes Omen für die Gewinne von Unternehmen. Daher sind laut Galler Unternehmen mit Preissetzungsmacht sowie Dividendentitel attraktiv.

Was die Aktienmärkte betrifft, zeichnet sich der US-Markt laut Galler zwar durch hohe Ertragsstärke aus, ist aber „etwas teuer“. Europa und Japan bieten bessere Gelegenheiten. Sollte die Konjunktur Tritt fassen, sind Aktien von kleinen und mittleren Unternehmen (Small Caps) attraktiv, nachdem sie jahrelang schlechter abgeschnitten haben als Large Caps.