Immobilien-Investments

„Crowdfunding ist kein Sprint, sondern ein Marathon“

Die Rahmenbedingungen erschweren es Immobilien-Entwicklern, Projekte zu stemmen. Um liquider zu werden, setzen einige auf Crowd-Investing. Ulrike Losmann-Hartl von der dagobertinvest GmbH erklärt im procontra-Inerview die Besonderheiten.

13:11 Uhr | 16. November | 2023
Ulrike Losmann-Hartl

Ulrike Losmann-Hartl von dagobertinvest erklärt im procontra-Interview die Besonderheiten des Crowd-Investings.

| Quelle: Felicitas Matern

procontra:

Gemeinsam in Immobilien investieren – das ist die Idee des Crowd-Investing. Seit wann engagieren Sie sich in diesem Bereich?

Ulrike Losmann-Hartl:

Die Plattform ist 2015/2016 an den Start gegangen und vermittelt ausschließlich Projektfinanzierungen im Wohnbau. Dabei stehen mittelgroße, nachvollziehbare Projekte im Fokus. Konkret sind das Ein- und Mehrfamilienhäuser, sowie Mikroanlagen mit bis zu 20 Apartments. Bisher sind wir ausschließlich in der DACH-Region aktiv, stehen aber in den Startlöchern für Ost- und Mitteleuropa.

procontra:

Wer ist Ihre Zielklientel?

Losmann-Hartl:

Zum einen Projektentwickler, die immer öfter Fremdkapital brauchen, um Projekte zu stemmen, weil die Kreditvergaberichtlinien der Banken zusehends strikter werden und mehr Eigenkapital voraussetzen. Über Crowd Investing lässt sich dies erhöhen. Zum anderen Investoren, die in die Entwicklung der jeweiligen Immobilie investieren. Diese Gruppe reicht vom Studenten bis zum institutionellen Großinvestor.

procontra:

Wie hoch ist die Mindesteinlage und welche Konditionen bieten Sie?

Losmann-Hartl:

Das Mindestkapital beträgt 100 Euro für Kleinanleger und 25.000 Euro für institutionelle Großanleger. Die Laufzeiten für einzelne Projekte liegen in der Regel bei ein bis drei Jahren und die Verzinsung bei 8 bis 12 Prozent.

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procontra:

Das klingt ordentlich – wie kommt diese hohe Verzinsung zustande?

Losmann-Hartl:

Da der Projektträger eine bestimmte Eigenkapitalquote für die Bankfinanzierung vorweisen muss und Mezzaninekapital dem Eigenkapital hinzugerechnet wird, sind Immobilienentwickler bereit, auch höhere Zinsen für Crowdkapital zu bezahlen. Da es sich um Risikokapital handelt, ist der Zinssatz höher als bei allen anderen Finanzierungen im Mix.

procontra:

Was ist das Worst Case-Szenario? Welche Risiken sollten Investoren bedenken?

Losmann-Hartl:

Für ängstliche Investoren sind Crowdfunding-Investitionen sicher nicht die beste Lösung. Es gibt etliche Projekt-immanente Risiken, wie etwa ein Bau-, Zins- und Gesetzesrisiko. Nur deswegen ist der Projektträger bereit, so hohe Zinsen zu zahlen. Es ist Risikokapital und ein Totalverlust der Investition ist möglich.

procontra:

Wie sichern Sie sich gegen derartige Szenarien ab? Welche Optionen haben Investoren, wenn ein Projekt scheitert?

Losmann-Hartl:

Als Plattform sind wir grundsätzlich nur Vermittler und haben keine Möglichkeit bei Leistungsstörungen als Plattform die Anlegerinteressen zu vertreten. De facto schließen Investoren einen Vertrag mit dem Projektträger. Insofern kann ein Investor Forderungen auch nur selbst anmelden und muss selbst tätig werden, um diese – sofern möglich – durchzusetzen. Das kann sehr kostenintensiv sein und muss auch nicht zum Erfolg führen.

procontra:

Klingt aus Investoren-Sicht nicht unbedingt beruhigend. Wie sorgen Sie vor, um potenzielle Pleite-Projekte auf der Plattform zu vermeiden?

Losmann-Hartl:

Jedes Projekt durchläuft eine umfassende Risikoprüfung. Dabei wird die Plausibilität geprüft – inklusive betriebswirtschaftlicher Analyse – und inwieweit es in das Portfolio passt. In letzter Zeit lehnen wir 9 von 10 Projekten aufgrund zu geringer Eigenmittelausstattung oder mangelhafter Projektparameter ab. Das waren im Jahr 2022 nur etwa 60 bis 70 Prozent. Zudem sind wir bei Immobilien-Entwicklern mit einem geringen Track Record sehr zurückhaltend. Wer die Finanzkrise 2008 überlebt hat, hat deutlich bessere Karten.

procontra:

Wie erfolgreich sind Sie damit bisher gefahren? Wie sieht die Pleite-Bilanz aus?

Losmann-Hartl:

Seit der Gründung haben wir über 320 Projekte erfolgreich platziert und es gab insgesamt fünf Ausfälle, aus unterschiedlichen Gründen.

procontra:

Also unter 2 Prozent. Wie werden Investoren-Gelder investiert?

Losmann-Hartl:

Für nicht ECSP-lizenzierte Plattformen erfolgt dies wegen der gesetzlichen Vorschriften ausschließlich über qualifizierte Nachrangdarlehen. Diese sind für Anleger nachteilig, da der Immobilienentwickler die Rückzahlung aufschieben kann, wenn er durch die Tilgung in eine finanzielle Schieflage gerät. Bei einer Pleite bekommen sie ihr Geld als Letzte wieder – wenn überhaupt. Diese gibt es bei uns nicht mehr, nachdem wir am 18. September eine ECSP-Lizenz erhalten haben. Seitdem ist es möglich, bankübliche Sicherheiten wie Garantien oder Pfandrechte im Grundbuch in den Verträgen zwischen den Investoren und Projektträgern zu vereinbaren. Dadurch gibt es jetzt einen unbedingten Rückzahlungspunkt am Ende der Laufzeit, der auch eine Insolvenz des Projektentwicklers auslösen kann. Das war vorher nicht möglich. Zudem haben wir ein eigenes Inkasso Institut gegründet, das Anlegerinteressen vertritt. Dies gestaltet die Sicherheiten aus, verwahrt sie während der Laufzeit und kann sie bei Zahlungsverzug verwerten.

procontra:

Werden Investoren für diesen Mehrwert zur Kasse gebeten?

Losmann-Hartl:

Ja. Seit September schließen alle Anleger parallel zur Investition auch einen Service-Vertrag mit uns ab, für den eine Gebühr von 0,5 Prozent jährlich auf die Gesamtinvestition fällig wird. Im Gegenzug erhalten sie im Fall einer Schieflage beim Projektentwickler einen Rechtsanspruch auf Durchsetzung der, in den Darlehensverträgen, vereinbarten Sicherheiten – sowohl schuldrechtlich als auch dinglich.

procontra:

Sind die Investoren-Gelder als Folge der neuen Lizenz zu 100 Prozent abgesichert?

Losmann-Hartl:

Nein, ein Ausfall ist immer noch möglich, weil wir uns weiterhin im Risikokapital bewegen. Wenn der Projektträger in Konkurs geht und die Konkursmasse zur Abdeckung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht, kann es trotz Sicherheiten zu Verlusten kommen – bis hin zu einem Totalausfall. Darum sollten Investoren auch nur Geld investieren, dass sie nicht zeitnah brauchen und zudem eher kleinere Beträge. Es ist ratsam, das Risiko zu streuen und statt 20.000 in ein einzelnes Projekt zu investieren, lieber 200 Euro in 100 Projekte. Das Risiko eines Leistungsausfalls wird dadurch stark reduziert.

procontra:

Die Bauzinsen steigen, die Inflation ist hoch. Sind das aus Investoren-Sicht nicht eher ungünstige Zeiten für Crowdinvesting in Immobilien?

Losmann-Hartl:

Das Umfeld und die Rahmenbedingungen sind zweifellos herausfordernder geworden. Striktere Kreditvergaberichtlinien bremsen Projektträger aus und gestiegene Baukosten und Lieferengpässe machen es oft schwerer, in der Laufzeit zu bleiben. Es ist insofern möglich, dass es in der nächsten Zeit zu mehr Verspätungen kommen wird, denn Immobilienprojekte lassen sich nun mal nicht auf Knopfdruck hin realisieren. Diese müssen aber nicht zwangsläufig einen Ausfall bedeuten oder als solcher bewertet werden.

procontra:

Wie kann man einen Ausfall nicht als Ausfall bewerten?

Losmann-Hartl:

Die Frage ist, wie man Ausfall definiert. Letztes Jahr hatten wir beispielsweise einige Projekte, die mit 18 Monaten Verspätung fertig wurden. Da wurde die Risikotoleranz der Investoren ziemlich auf die Probe gestellt. Dafür gab es schließlich auch extra Zinsen.

Wir räumen Bauträgern bei jedem Projekt vertraglich die Option ein, sechs Monate einseitig in die Verlängerung zu gehen, falls noch Liquidität fehlt, und danach womöglich noch in die Verspätung, die aber verzinst wird. Generell ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Crowdfunding bei Immobilien ist kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Projekte brauchen Zeit. Was Investoren heute finanzieren, wird erst in zwei bis drei Jahren fertiggestellt. Da können die Vorzeichen ganz andere sein.

procontra:

Theoretisch auch schlechtere. Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie am Markt?

Losmann-Hartl:

Wie sich die Nachfrage entwickelt, ist derzeit eine Glaskugelgeschichte und hängt von mehreren Faktoren ab. Eine weitere Zinserhöhung durch die EZB wäre sicher kontraproduktiv. Trotzdem ist die langfristige Wachstumsstory intakt, Wohnraum bleibt gefragt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist derzeit stark rückläufig und fehlender Wohnraum und Zuzug bleiben Themen.