Rechtsschutz

„Der Vertragsrechtsschutz ist nur schwer kalkulierbar“

Der gewerbliche Rechtsschutz rückt in Krisenzeiten in den Fokus. Doch maßgebliche Risiken werden zum Teil gar nicht versichert. Dazu sprach procontra mit Analyst Christian Monke vom Analysehaus Franke und Bornberg.

14:03 Uhr | 13. März | 2023
Christian Monke

Sieht bei gewerblichen Rechtschutzversicherungen einen im Vergleich zum Privatrechtsschutz abgeschwächten Leistungsumfang: Analyst Christian Monke von Franke und Bornberg

| Quelle: Franke und Bornberg

procontra:

Krisenzeiten sind Rechtsschutzzeiten. Da kommt Ihr neues Rating zur Rechtsschutzversicherung für Unternehmer und Selbstständige gerade recht.

Christian Monke:

So könnte man fast sagen. Aber das war nicht der Grund dafür, sondern – nach Ratings in Cyber, Betriebshaftpflicht und Inhaltsversicherung für KMU – vielmehr die Fortsetzung im gewerblichen Bereich, um den wir uns jetzt seit ca. vier Jahren kümmern. Nachfragen von Versicherer- wie auch Vertriebsseite signalisieren auch hier Bedarf nach neutraler Einschätzung von dritter Seite zur Qualität der Produkte, nach mehr Transparenz und verlässlicher Orientierung.

procontra:

Was kann und sollte ein solches Rating leisten und der Makler, der es nutzt, folglich erwarten? Und wo liegen die Grenzen?

Monke:

Es geht dabei nicht um unsere Wunschvorstellungen. Das Rating soll einen umfänglichen Blick auf Markt und Angebote liefern. Die Beitragsseite bleibt außen vor. Wir prüfen allein die Leistungsseite: Was ist in den Versicherungsbedingungen enthalten? Ist alles verlässlich, rechtssicher und nachvollziehbar beschrieben? Bewerten können wir nur das, was tatsächlich in den Vertragsunterlagen zu finden ist. Auch sehr gute Produkte können daher noch Deckungslücken haben. Wie sich die Gesellschaften im Schadenfall verhalten, können wir hier nicht prüfen. Auch wenn Vermittler das verständlicherweise gern hätten und uns darauf, teils auch kritisch, ansprechen. Stichworte hierzu: Servicequalität und Zahlungsbereitschaft. Und: Unsere Ratingurteile sind Pauschalaussagen. Wir können nicht auf jede Kundensituation eingehen. Das sollte im Rahmen einer Beratung geschehen.

procontra:

Wie die private lässt auch die gewerbliche Rechtsschutzversicherung viele Kombinationsmöglichkeiten zu. Wie bauen sich die Angebote typischerweise auf?

Monke:

Je nach Produkt registrieren wir entweder verschiedene fixe Tariflinien mit unterschiedlichen Leistungsniveaus von Basis, Komfort, Premium – diese Dreiteilung machen grundsätzlich viele Gesellschaften. Oder es gibt hinzuwählbare Bausteine. In beiden Varianten müssen die für Selbstständige besonders wichtigen Leistungen wie Vertrags- oder Straf-Rechtsschutz fast immer gegen Mehrbetrag ergänzt werden.

procontra:

… sofern das Angebot diese Möglichkeit hergibt. Anders als im privaten Rechtsschutz ist das Vertragsrisiko im Gewerbe bekanntlich meist ein No-Go. Um Konflikte mit Kunden und Lieferanten oder Dienstleistern machen viele Rechtsschutzanbieter immer noch einen großen Bogen. Wie bewerten Sie dieses Manko – und wie schlägt sich das im Rating nieder?

Monke:

Der Vertragsrechtsschutz ist das größte Risiko in der gewerblichen Rechtsschutzversicherung und für die Gesellschaften aufgrund der möglichen sehr hohen Schäden nur schwer kalkulierbar. Daher scheut sich die Branche vor einer vorbehaltlosen Abdeckung. Einige Anbieter am Markt gibt es aber doch. Allerdings wird die Leistungshöhe gedeckelt. Für die Höchstnote FFF+ verlangen wir im Rating neben einer hohen Gesamtqualität, das heißt einer entsprechend hohen Punktzahl, auch Leistungen im Vertrags- sowie im Steuer- und Sozial-Rechtsschutz und binden diese außerdem an einen Mindeststandard. Rechtsstreitigkeiten um Verträge beispielsweise müssen demnach europaweit versichert sein.

procontra:

Nur eine kleine Spitzengruppe mit der Höchstnote FFF+ für „hervorragend“ und FFF für „sehr gut“, aber ein großes Mittelfeld mit „gut“ und „befriedigend“. So stellt sich die Auswertung der untersuchten rund 60 Tarifvarianten fürs Gewerbe dar. Für Sie überraschend?

Monke:

Eine solche Verteilung ist bei einem Erstrating nicht ungewöhnlich. Unterliegen Sparten nicht der externen Qualitätskontrolle durch Ratings, ist für die Versicherer auch kein Anreiz da, die Produkte möglichst kundenfreundlich zu gestalten. Zudem fehlen häufig Standards beim Leistungsumfang und bei der Formulierung der Versicherungsbedingungen. Das war anfänglich auch bei der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht anders.

procontra:

Inwiefern hakt es sonst noch bei gewerblichen Rechtsschutzversicherungen?

Monke:

Gerade im Vergleich mit privaten Rechtsschutzverträgen beobachten wir häufig einen abgeschwächten Leistungsumfang. Maßgebliche Risiken, auch über den Vertragsrechtsschutz hinaus werden teilweise gar nicht oder mit geringeren Summen versichert.

procontra:

Konkret. Wo ist denn im Kleingedruckten insbesondere noch „Luft nach oben“?

Monke:

Es gibt keinen einheitlichen Trend. Antidiskriminierung, Urheberrecht, Kartellrecht, Mediation, das ist in einer Reihe von Tarifen gar nicht versichert – und wenn, dann meist nur in den Top-Tarifen, und das in sehr unterschiedlicher Höhe. Abstriche gibt es auch beim Arbeitsrecht – etwa wenn es um Rechtsstreit mit Gewerkschaften geht. Deutliche Abstufungen sehen wir auch bei der weltweiten Absicherung mit Deckungssummen ab 200.000 Euro bis unbegrenzt. Eines fällt aber in der Tat auf: Anders als im privaten Bereich beschränkt sich der Rechtsschutz im Gewerbe vielfach nur auf den gerichtlichen Bereich. Außergerichtlicher Schutz steht nicht so sehr im Fokus.