Aktienrente: Was das Grundkonzept zur Finanzierung vorsieht
Die FDP setzt seit längerem auf Kapitaldeckung auch in der ersten Säule. Während der Großteil des Rentenbeitrags weiterhin in die Umlage fließt, soll ein kleinerer Teil in Aktien investiert werden und so höhere Renditen und letztlich ein höheres Rentenniveau ermöglichen. Für diesen kleinen Teil schlägt die FDP verpflichtend 2,0 Prozent vor, paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzubringen. Um niemanden zu überfordern, soll der GRV-Beitragssatz exakt um diese 2,0 Prozentpunkte sinken, hieß es vor der Wahl.
Mit dieser „gesetzlichen Aktienrente“ soll die GRV „enkelfest“ gemacht werden. „Mehr Aktien samt mehr Kapitalerträgen machen das System demografiefest – wie es die Schweiz und Schweden geschafft haben“, sagte Johannes Vogel, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, im vergangenen Jahr auf einer Branchenveranstaltung. Schweden habe in seiner ersten Säule neben einer Umlage auch eine gesetzliche Aktienrente installiert. Mit einer Teilkapitaldeckung ließen sich die demografischen Herausforderungen bei der Rente auch in Deutschland bewältigen. Dazu hatte Vogel bereits 2021 in einem gemeinsamen Konzept mit dem FDP-Finanzpolitiker Christian Dürr Vorstellungen zur Umsetzung entwickelt.
BMF mit ersten Eckpunkten
Inzwischen ist die FDP in der Regierungsverantwortung und treibt das im Koalitionsvertrag vereinbarte Projekt unter Verantwortung des Bundesfinanzministeriums (BMF), das Christian Lindner (FDP) untersteht, voran. Das BMF hat Anfang November ein „Grundkonzept zur Aktienrücklage“ vorgelegt, das procontra vorliegt. Damit ist der Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren – für 2023 geplant – gefallen.
Laut Konzept sollen die Rentenfinanzen mit Erträgen aus einem großen Aktienfonds entlastet werden. Wichtige Eckpunkte: Der Kapitalstock in Gestalt einer öffentlich finanzierten und verwalteten Aktienrücklage soll 2023 eingerichtet werden. Er soll zum Start mit einem Volumen von mindestens 10 Milliarden Euro starten. Und die Erträge seiner Wertpapiere sollen dann von Mitte der 2030er-Jahre an in die Rentenversicherung fließen, um sie finanziell zu stärken.
„Die institutionellen Voraussetzungen zur Einrichtung der Aktienrücklage sollen durch ein Gesetzgebungsverfahren im ersten Halbjahr 2023 geschaffen werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Zur Anschubfinanzierung soll der 10-Milliarden-Kapitalstock „teilweise kreditfinanziert aufgebaut werden“, also mit Darlehen des Bundes finanziert werden. Die Darlehen wiederum soll der Fonds dem Bund in Höhe seiner Refinanzierungskosten verzinsen. Ein Zeitplan für eine Darlehensrückzahlung stehe derzeit noch nicht fest.
Mischung aus aktiver und passiver Anlagestrategie
„Empirische Studien zeigen, dass durch Anlagen am Kapitalmarkt im langfristigen Durchschnitt höhere Erträge erzielt werden können, als Kosten durch die Kreditfinanzierung entstehen“, heißt es in dem Papier. Für den Fonds sei eine global-diversifizierte, langfristige und kontinuierliche Kapitalanlage geplant. Auf diese Weise könnten schwierige Marktphasen überbrückt werden, die bei einem kurzen Anlagehorizont ein Risiko sind.
Außerdem sei eine Mischung aus aktiver und passiver Anlagestrategie angedacht. Damit könnten zum einen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden, gleichzeitig wäre man dadurch in der Lage, auf unerwartete Marktentwicklungen agil zu reagieren. Zudem wären bestimmte Asset-Klassen wie Private Equity nicht von vornherein ausgeschlossen.
Von wem allerdings das Geld letztlich investiert wird, wer also für die Anlagestrategie verantwortlich ist, ist noch unklar. „Die Abstimmungen laufen innerhalb der Bundesregierung und wir bitten deswegen um Verständnis, dass wir uns zu weiteren Details nicht äußern können“, erklärt das BMF auf Nachfrage.
Weitere Sacheinlagen sollen noch 2023 folgen
Vorteil der Konstruktion für die Politik: Haushaltstechnisch gilt die Finanzierung als Vermögenstransaktion. Der Bund erwirbt damit Forderungen gegen den Fonds. Die aufgenommenen Kredite seien daher nicht als Schulden im Sinne der Schuldenbremse einzustufen. Die neue Aktienrücklage soll über den 10-Milliarden-Anschub hinaus weitere Mittel erhalten: „Zur Eigenkapitalunterlegung sollen – ebenfalls schuldenregelneutral – im Laufe des Jahres 2023 Übertragungen von Sacheinlagen in den Kapitalstock erfolgen“, heißt es. Woran hier genau gedacht ist, wird nicht weiter ausgeführt.
Im Unterschied zu den ursprünglichen Plänen der Liberalen zur Aktienrente soll der Kapitalstock nun aber nicht direkt zusätzliche Rentenansprüche der einzelnen Versicherten begründen, sondern die Erträge sollen wie ein weiterer Bundeszuschuss an die Rentenkasse fließen. „Eine Zweckbindung der Erträge des Kapitalstocks zugunsten der Deutschen Rentenversicherung wird gesetzlich verankert.“
Damit weicht das Vorhaben allerdings deutlich von dem schwedischen Modell ab, denn Beitragszahler erhalten so keine zusätzliche Rentenansprüche. Entsprechend heißt es in dem Eckpunktepapier: „Die Erträge des Kapitalstocks sollen entsprechend dem Fahrplan Altersvorsorge ab Mitte der 2030er Jahre einen Beitrag zur Stabilisierung der Entwicklung des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung leisten (...).“
Die SPD will die Aktienrente daran koppeln, dass das Rentenniveau stabil bei 48 Prozent bleibt. Das Festhalten an diesem Rentenniveau würde zu stärkeren prozentualen Rentenerhöhungen und Mehrausgaben führen, die den Betrag von 10 Milliarden Euro pro Jahr übersteigen könnten.
Kontroverse Debatte zu Beginn des Verfahrens
Ob es zu einer gesetzlich fixierten Aktienrente in der gesetzlichen Rentenversicherung kommt, steht noch nicht fest. Die Diskussion hat gerade erst begonnen und wird kontrovers geführt. Die Meinungen reichen von: „Kapitaldeckung ist richtig und wichtig, ist aber vor allem durch verstärkte private und betriebliche Vorsorge sinnvoll.“ (BDA) bis hin zu: „Höchst zweifelhaft, die Absicherung unserer Renten mit einem Kapitalstock aus Krediten zu finanzieren.“ (DGB).