Kolumne

Finanzbranche: Sind wir wirklich die Bösen?

Das Wort "Finanzbranche" löst bei vielen Menschen sofort Alarm aus, und doch wäre eine frühe Finanzbildung etwa an Schulen so wichtig, meint Franziska Geusen, Geschäftsführerin Hans John Versicherungsmakler und AfW-Vorständin.

Franziska Geusen

Franziska Geusen, Geschäftsführerin Hans John Versicherungsmakler und AfW-Vorständin | Quelle: AfW

Manchmal hat man den Eindruck, ein einzelnes Wort reicht, um die kollektiven Alarmglocken auszulösen. „Finanzbranche“. Mehr muss man gar nicht sagen – schon wähnt manch einer die unschuldigen Schülerinnen und Schüler in Gefahr. „Um Himmels willen, keine Makler in die Schulen! Die wollen doch nur verkaufen.“

Neulich habe ich auf LinkedIn geschrieben, dass wir mehr Finanzbildung an Schulen brauchen – und dass Fachleute aus der Praxis durchaus einen wertvollen Beitrag leisten können. Die Reaktionen? Ein Farbtopf voller Meinungen. Von ernstgemeintem Zuspruch bis zu Kommentaren wie: „Dann kann ja auch gleich der Statiker kommen und Traglasten erklären – ohne Statik brechen schließlich Brücken zusammen.“

Statik, Schulbildung und schiefe Vergleiche

Ein charmantes Bild, nur leider am Thema vorbei. Ja, ohne Statik bricht eine Brücke zusammen. Und niemand bestreitet, dass Statik wichtig ist – sie gehört nur eben in eine Berufsausbildung. Finanzbildung dagegen betrifft alle. Jeder Mensch muss im Laufe seines Lebens Entscheidungen zu Vorsorge, Risiko und Absicherung treffen. Eben nicht nur die, die irgendwann Brücken bauen. Wir sprechen hier über Grundwissen, nicht über Ingenieurwissen. Und genau da wird der Vergleich schief: Traglasten berechnet man später im Studium. Finanzielle Tragfähigkeit sollte man schon als junger Mensch einschätzen können.

Die Lücke im Klassenzimmer

Was dabei gern vergessen wird: Jugendliche verlassen die Schule, ohne zu wissen, was passiert, wenn sie berufsunfähig werden. Ohne Ahnung, wie Altersvorsorge funktioniert. Ohne die Fähigkeit, Sinnvolles von Überflüssigem zu unterscheiden. Und später wundern wir uns über Altersarmut. Am härtesten trifft es die, deren Eltern sich selbst nicht auskennen. Wer zu Hause keine Basics bekommt, startet mit einem Nachteil ins Leben, den kein noch so gut gemeintes Informationsblatt ausgleicht.

Der Ruf nach „Neutralität“ – und seine Tücken

Und dann kommt regelmäßig der Vorschlag: „Schickt doch die Verbraucherzentralen.“
Schöner Gedanke – nur leider mit zwei Problemen:

  1. Es gibt viel zu wenige Kapazitäten.

  2. Eine verbindliche Mindestausbildung für deren Beraterinnen und Berater? Fehlanzeige.

Aber „neutral“ klingt eben verführerisch. Neutral wird gern mit „kompetent“ verwechselt. Ein Missverständnis, das man nur schwer aus den Köpfen bekommt.

Engagement, das keiner sehen will

Dabei engagieren sich etliche Maklerinnen und Makler seit Jahren ehrenamtlich. Viele werden von Schulen aber kategorisch abgewiesen – nicht wegen schlechter Inhalte, sondern aus Prinzip. Weil das Label „Makler“ vermeintlich alles sagt. Tut es aber nicht. Deutschland hat ein Finanzbildungsproblem. Und „im OECD-Vergleich nicht hinten“ ist kein Gütesiegel, sondern das pädagogische Äquivalent zu: „Es brennt zwar, aber noch nicht das ganze Haus.“

Wer, wenn nicht wir?

Warum also nicht die Menschen unterrichten lassen, die täglich sehen, wo es im Finanzalltag hapert? Die wissen, wie Verträge funktionieren, was realistische Risiken sind und welche Fehler richtig teuer werden können?
Nicht, um Abschlüsse zu jagen – sondern um jungen Menschen zumindest das Wissen zu geben, das die Schule ihnen seit Jahren schuldig bleibt. Also zurück zur Frage: Sind wir wirklich die Bösen? Oder ist es einfach bequemer, uns zu welchen zu machen, statt sich ehrlich mit der Frage auseinanderzusetzen, wer sonst die Lücke in der Finanzbildung schließen soll?

Denken Sie, dass Makler geeignet sind, ihr Wissen an Kinder weiterzugeben?