Inflation: Alternativen zur Anpassung von Betriebsrenten
Arbeitgeber müssen laut Betriebsrentengesetz alle drei Jahre prüfen, ob die laufenden Rentenleistungen an ehemalige Mitarbeiter an die Inflation angepasst werden müssen. So soll ein Kaufkraftverlust für Rentner ausgeglichen werden. „Dabei müssen die Belange der Versorgungsempfänger und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden“, wie Andreas Hufer, Rechtsanwalt und bAV-Experte bei Willis Towers Watson erklärt.
In der Vergangenheit war das kein größeres Problem. Die meisten Arbeitgeber haben sich am Verbraucherpreisindex (VPI) orientiert. Geldentwertung gab es praktisch nicht oder sie lag unterhalb der von der Europäischen Zentralbank noch akzeptierten Rate von 2 Prozent. Folglich hielt sich auch die Anpassung der Betriebsrenten in Grenzen und Arbeitgeber konnten diese aus gebildeten Rückstellungen finanzieren.
Seit Mitte 2021 sind diese Zeiten vorbei. Die Inflationsrate stieg auf 3,1 Prozent (Durchschnitt 2021), auf 6,9 Prozent (2022) und siedelte sich Ende 2023 bei rund 3 Prozent an. Doch Ökonomen erwarten auch 2024 eine spürbar hohe Inflationsrate. Laut einer aktuellen Umfrage des ifo Instituts wollen immer mehr Unternehmen ihre Preise in den kommenden Monaten anheben. „Damit dürfte der Rückgang der Inflationsraten vorerst ins Stocken geraten“, sagt ifo Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Belastung für Arbeitgeber verringern
Wer diese beschriebene Entwicklung an seine ehemaligen Mitarbeiter weitergeben muss, zahlt Anfang 2024 dann mehr als 13 Prozent mehr. Arbeitgeber haben nur dann das Recht, die Rentenaufstockung zu verweigern, wenn ihre wirtschaftliche Lage keine Erhöhung zulässt. Oftmals landen strittige Fälle vor Gericht. Bei welchen Durchführungswegen und in welchen Fällen eine Anpassungsprüfung nicht verpflichtend ist, erklärt die bAV-Expertin Anja Sprick, Rechtsanwältin bei Longial.
Grundsätzlich besteht Handlungsbedarf für Arbeitgeber. Daher sollten Makler sie auf eine möglicherweise in Vergessenheit geratene Option zur Verringerung von Belastungen aus laufenden Betriebsrenten hinweisen. Dem bAV-Fachmann Hufer zufolge dürfen Arbeitgeber alternativ zum VPI die Entwicklung der Nettolöhne von vergleichbaren Arbeitnehmergruppen im Unternehmen zur Prüfungsanpassung heranziehen.
Dass sich ein Abwägen der beiden Alternativen für Arbeitgeber lohnt, betont Roland Horbrügger, Senior Legal Consultant beim Maklerunternehmen Aon. Seiner Meinung nach hat eine hohe Inflation zur Folge, dass auch Rentenanpassungen sehr hoch ausfallen, sofern sie sich am VPI orientieren. Das bringe die Gefahr von wirtschaftlichen Engpässen. Und wörtlich: „Die Liquidität in vielen Unternehmen ist schon jetzt, bedingt durch Pandemie, Lieferengpässe und steigenden Kosten, stark belastet.“
Arbeitgeber sollten daher prüfen, „ob eine Anpassung entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen nicht der bessere Weg ist.“ Denn der könne bei hoher Inflation gegebenenfalls eine geringere Belastung für den Arbeitgeber bedeuten. Horbrügger streicht einen weiteren Vorteil heraus: Werden Renten und Nettolöhne in vergleichbarem Maße angepasst, so könne dies auch einen positiven Effekt auf die Mitarbeiterzufriedenheit haben. „Aktive Mitarbeiter“, so der bAV-Experte, „werden bei dieser Variante Rentnern gegenüber fair behandelt. Wird der VPI bei der Berechnung zugrunde gelegt, steigen die Renten bei hoher Inflation in der Regel deutlich höher als die Gehälter aktiver Mitarbeiter.“
Aktive Ansprache nutzen
Bereits diese Ausführungen zeigen, dass das Thema durchaus komplex ist. Gerade deshalb sollten Makler mit Schwerpunkt bAV und entsprechendem Mandat aktiv auf Unternehmenskunden zugehen. Die Anpassung von Betriebsrenten an die Inflationsentwicklung stand jahrelang nicht oben auf der Agenda von Chefs – jetzt aber schon. Viele Arbeitgeber haben hier Beratungsbedarf. Zugleich ist das Aufzeigen von alternativen Anpassungsmaßstäben ein Beitrag zur Verbreitung der bAV. Viele Arbeitgeber kennen bisher nur die Anpassung der laufenden Betriebsrentenzahlungen gemäß VPI und lehnen angesichts hoher Inflationsraten die Einführung einer bAV im Betrieb ab. Vor diesem Hintergrund können Makler mit entsprechendem Wissen an mehreren Stellen im Unternehmen helfen.
Nettolohnentwicklung als Richtschnur?
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Für Arbeitgeber aktuell oft günstiger als Rentenanpassung gemäß VPI
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Aktive Mitarbeiter fühlen sich gegenüber Betriebsrentnern fair behandelt
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Besonders vorteilhaft bei Renten, die noch nicht lange ausgezahlt werden
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Festlegung des vergleichbaren Nettolohns ist eine Herausforderung
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Definition der vergleichbaren Arbeitnehmergruppe ist schwierig
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Bei größeren Rentnerbeständen ist der Aufwand sehr hoch