Inflation: Kreditversicherer hoffen auf deutlich mehr Abschlüsse

Die Banken wappnen sich derzeit für einen starken Anstieg säumiger Darlehensnehmer. Auch die Kreditversicherer rechnen mit deutlich mehr B2B-Zahlungsausfällen, sehen das aber eher als Vertriebs-Chance für ihre Policen. Einen „Insolvenz-Tsunami“ fürchtet man nicht.

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15:11 Uhr | 17. November | 2022
Bild: Heiko119

Die Kreditversicherer rechnen für 2023 mit einem deutlichen Anstieg bei Zahlungsschwierigkeiten und Insolvenzen im B2B-Bereich. Bild: Heiko119

Enorme Preissteigerungen bei Strom und Gas, an den Supermarktkassen und auch sonst nahezu überall. Die weltwirtschaftliche Entwicklung macht den Privathaushalten und Gewerbetreibenden bereits seit Monaten zu schaffen. Besorgniserregend: Blickt man etwa sechs bis zwölf Monate in die Zukunft, so wirken die Aussichten noch um einiges düsterer.

Dabei handelt es sich nicht um die Prognose eines Hobbywahrsagers, sondern um die Zusammenfassung der Kalkulationen von Banken und Versicherern. So erhöhen derzeit viele Banken (wahrscheinlich sogar alle) ihre Risikovorsorge für Kreditausfälle im Jahr 2023, verglichen mit dem laufenden Jahr. Dass dies wichtig ist, darauf wies kürzlich BaFin-Präsident Mark Branson bei der 25. Euro Finance Week in Frankfurt am Main hin. Die Banken müssten eine angemessene Vorsorge für die steigenden Kreditausfallrisiken treffen, so Branson.

Deutlich mehr B2B-Zahlungsausfälle erwartet

Während der toxische Cocktail aus Rekordinflation und Zinswende den Geldhäusern Kreditausfälle beschert, werden für die Versicherungsbranche eher säumige Gewerbetreibende zum Thema. Laut einer Umfrage des Kreditversicherers Atradius unter 200 Firmen aus den Bereichen Chemie, Bau und Transport rechnen über die Hälfte der Befragten mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral ihrer Geschäftskunden im neuen Jahr. Das machen sie vor allem an den stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen fest. Eine weitere Umfrage von Atradius unter 400 deutschen Firmen hatte ergeben, dass sich 53,7 Prozent der Unternehmer stark oder sogar sehr stark von den Energiepreissteigerungen belastet fühlen. Bei einigen Firmen würden die Mehrkosten für Energie mehr als fünf Millionen Euro betragen.

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Bei Kreditversicherern wie Atradius können Unternehmen sogenannte Warenkredit- oder Forderungsausfallversicherungen abschließen, die ihnen den Ausfall ersetzt, wenn ihr Geschäftspartner Warenlieferungen oder Dienstleistungen nicht bezahlen kann. Dass solche Zahlungsausfälle im nächsten Jahr stark zunehmen werden, glaubt man auch beim Kreditversicherer Coface in Mainz. „Wir rechnen im Laufe des Jahres 2023 mit einer Rückkehr zum Pre-Covid-Level bei den Schadenfällen. Die massiven staatlichen Hilfen während der Corona-Beschränkungen haben den Markt verzerrt und wir bewegen uns nun in immer schnellerem Tempo auf eine Bereinigung der Märkte zu“, sagt Jochen Böhm, Risk Underwriting Director für Nordeuropa bei Coface, im Gespräch mit procontra.

Mehr Insolvenzen, mehr Geschäft

Zahlreiche Frühindikatoren würden hier ein deutliches Bild zeichnen, zum Beispiel wenn sich Zahlungen verzögerten, Anträge auf Stundungen eingingen oder wenn Kunden Ratenzahlungen vorschlagen würden, so Böhm. Im Jahr 2021 habe es rund 14.000 Firmeninsolvenzen in Deutschland gegeben. Zum Vergleich: Nach der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 waren es über 30.000. „Wir rechnen jetzt auf jeden Fall mit einem starken Anstieg, jedoch nicht mit einem Insolvenz-Tsunami“, sagt der Underwriter.

Mehr Schadenfälle für einen Versicherer klingen erst einmal schlecht. Doch Böhm betont gleichzeitig, dass es für die Kreditversicherer hilfreich sei, wenn das Risikobewusstsein in den Branchen wieder geschärft werde. „Während der Pandemie haben vor dem Hintergrund der geringen Insolvenzzahlen weniger Unternehmen Policen bei uns abgeschlossen. Aufgrund der beispiellosen staatlichen Eingriffe konnten sich viele schwache Firmen über Wasser halten, die ohne die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht längst pleite gewesen wären. Das hat unser Schadenaufkommen verringert“, erklärt der Risiko-Analyst. Dass der selbst prognostizierte Anstieg der Zahlungsausfälle die Kreditversicherer ins Wanken bringen könnte, glaubt Böhm aber nicht.

Eine Sorge, die auch Frank Liebold, Country Director Deutschland bei Atradius, nicht teilt. Vielmehr empfiehlt er Gewerbetreibenden einen zeitnahen Abschluss einer Warenkreditversicherung. „Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind häufig nicht ausreichend abgesichert. Dabei sind sie in der Regel die ersten, die die Folgen wirtschaftlicher Verwerfungen zu spüren bekommen“, so Liebold.