bAV: Wenn die Firma ins Ausland verkauft wird…

… könnten Anwärter und Betriebsrentner ihre Ansprüche auf die bAV verlieren. Die Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie in deutsches Recht droht auch den Insolvenzschutz durch den Pensionssicherungs-Verein aufzuweichen. Experten schlagen Alarm.

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10:11 Uhr | 14. November | 2022
bAV: Wenn die Firma ins Ausland verkauft wird… Bild: Cunaplus M.Faba

„Es kann nicht sein, dass schwierige Rechtsverfolgungen in einem anderen europäischen Staat zu Lasten der Arbeitnehmer oder des PSV und damit zu Lasten der Solidargemeinschaft seiner Mitglieder (Arbeitgeber) gehen“, erklärt Klaus Stiefermann von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). Bild: Cunaplus M.Faba

Ob Griechenland, Balearen oder Südostasien – der Trend zum Auswandern im Ruhestand hält an. Bezieht ein Rentner außerhalb von Deutschland Versorgungsleistungen aus einer Direktzusage oder gegebenenfalls auch einer Unterstützungskasse, betrifft der Ausstieg auch seinen früheren Arbeitgeber, heißt es beim bAV-Dienstleister Longial, der zur Ergo-Gruppe gehört.

Grundsätzlich gelten für die Auszahlung einer Betriebsrente ins Ausland die gleichen Regeln wie innerhalb Deutschlands. Versorgungsberechtigte müssen ihren Anspruch bei ihrem früheren Arbeitgeber geltend machen und nachweisen. Ist der Leistungsempfänger im Ausland steuerlich ansässig, unterliegt die Leistung im Allgemeinen auch dort der Besteuerung.

Was aus der Betriebsrente bei Auswanderung der Firma wird

Ein ganz anderes Problem ergibt sich, wenn nicht Betriebsrentner auswandern, sondern der zuständige Arbeitgeber grenzüberschreitend verschmolzen, umgewandelt oder abgespalten wird. Die EU-Umwandlungsrichtlinie (EU 2019/2121) will den Rahmen für vereinfachte Fusionen mit ausländischen Gesellschaften ab 31. Januar 2023 schaffen. Zur Umsetzung in deutsches Recht liegt ein Regierungsentwurf vor, der am 7. November im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt wurde.

Das angestrebte „Gesetz zur Umsetzung der Umsetzungsrichtlinie“ birgt eine Menge Zündstoff für die betriebliche Altersversorgung (bAV). Darauf machen in gewohnt zugespitzter Form Rechtsanwalt Johannes Fiala (München) und Aktuar Peter Schramm (Frankfurt/Main) aufmerksam. „Betriebsrentner verlieren Anspruch an deutschen Arbeitgeber nach vereinfachter Sitzverlegung“, schreiben sie in einem Fachbeitrag in „Kapitalmarkt intern“. Betriebsrentner könnten bald nach Zypern, Malta oder Estland verwiesen werden.

Auch Ansprüche bei Insolvenz des Arbeitgebers gefährdet

„Bei Insolvenz des Arbeitgebers könnte Betriebsrentnern auch der Schutz durch den deutschen Pensionssicherungs-Verein (PSV) entzogen werden.“ Hintergrund: Erst nach Fälligkeit könnten Gläubiger auch bei nationaler Umwandlung bereits heute Sicherheitsleistung verlangen. „Für solche Forderungen kann auch gesetzlich keine Sicherheit im Voraus verlangt werden“, stellt Fiala klar.

Der PSV selbst hat bereits im Sommer gewarnt, dass er bei bestimmten Fällen von grenzüberschreitenden Umwandlungen Gefahren für die Versorgungsberechtigten und die Durchführung der gesetzlichen Insolvenzsicherung sieht. Insbesondere wenn kein Rechtsträger mehr in Deutschland verbliebe, kommen die Haftungsregeln, die bei vergleichbaren nationalen Umwandlungsvorgängen Anwendung finden würden, nicht zum Tragen. „Dies kann zu Missbrauch und schwierigen Rechtsverfolgungen in einem anderen europäischen Staat zu Lasten der Versorgungsberechtigten oder des PSV führen“, kritisiert der PSV.

Aba fordert Nachbesserung im Regierungsentwurf

Genau deswegen hat sich die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) schon im Mai an das zuständige Bundesjustizministerium (BMJ) gewandt und auf mögliche Verwerfungen in der bAV aufmerksam gemacht, die vom Gesetzgeber überhaupt nicht beabsichtigt waren, aber ohne inhaltliche Änderungen am Gesetzestext zwangsläufig kommen werden. Dazu bezog die Aba ausführlich Stellung. „Wir sind im Interesse des PSV und der Solidargemeinschaft der dortigen Arbeitgeber sehr daran interessiert, dass die Insolvenzsicherung durch das neue Recht nicht beeinträchtigt wird“, sagt Aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann auf Nachfrage von procontra.

Künftig wird der ausländische Rechtsträger, auf den insolvenzsicherungspflichtige bAV übertragen wurde, der Melde- und Beitragspflicht zum PSV unterliegen (betrifft Pensionszusagen, U-Kassen und zum Teil Pensionsfonds). Die Sitzverlegung ins Ausland bewirkt diesbezüglich keine Veränderungen und es gelten die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) fort, betont die Aba. Aber: Sofern Arbeitnehmer zum neuen Sitz des Unternehmens wechseln, sind eventuelle bAV-Steigerungen nur dann insolvenzsicherungspflichtig, wenn weiterhin ein Arbeitsvertrag nach deutschem Arbeitsrecht und eine bAV-Zusage bestehen.

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Gute Ausgangsbasis, aber …

„Die bAV ist grundsätzlich auch bei Verlegung des Firmensitzes ins Ausland bei Insolvenz des Arbeitgebers durch den PSV geschützt“, sagt Stiefermann auf Nachfrage. Noch fehle es aber im Entwurf an Missbrauchssperren für die Insolvenzsicherung. „Schutzvorschriften, die sich bei nationalen Umwandlungsvorgängen seit langem bewährt haben, sind auch bei internationalen Umwandlungsvorgängen zwingend erforderlich“, mahnt der Aba-Geschäftsführer.

Beispiel grenzüberschreitende Spaltung eines Betriebes: Nach bestehendem Recht haften die beiden im Inland nach der Spaltung entstehenden Rechtsträger zehn Jahren für bereits entstandene und in diesem Zeitraum fällige Forderungen. Der Regierungsentwurf würde das Haftungsregime zum Nachteil deutscher Unternehmen und Arbeitnehmer verschlechtern: Der in Deutschland verbleibende Rechtsträger würde weiter zehn Jahren für die bAV haften, wenn die bAV auf den ins Ausland abgespaltenen Versorgungsträger übertragen worden ist.

… Haftungsregeln müssten auch für ausländische Rechtsträger gelten

„Weist der Spaltungsplan die bAV jedoch dem deutschen Unternehmen zu, haftet das im Ausland durch die Spaltung entstehende Unternehmen nicht“, so Stiefermann. Dieser Nachteil lasse sich nur vermeiden, wenn diese Haftungsregel auch für den Rechtsträger im Ausland gilt. „Diese Haftung als Gesamtschuldner für bAV-Ansprüche sollten an einem einheitlichen Gerichtsstand im Inland einklagbar sein“, fordert die Aba. Dies sei vor allem dann wichtig, wenn der ausländische Rechtsträger zahlungsunwillig ist und der inländische Rechtsträger kein ausreichendes Vermögen mehr hat.

Komplexer sei die Situation bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung oder Verschmelzung. Dann wäre kein Rechtsträger mehr in Deutschland, der für die bAV-Ansprüche haften könnte. Daher wäre es nötig, für zehn Jahre eine ausreichende Vermögensmasse in Deutschland einzurichten, auf die Versorgungsberechtigte und – im Fall der Insolvenz des ausländischen Rechtsträgers – der PSV zugreifen könnten.

Bei Umwandlung oder Verschmelzung muss Haftungsmasse hierbleiben

„In Betracht kämen mittelbare Versorgungsträger der bAV ebenso wie die Sicherstellung einer Haftungsmasse im Finanzbereich“, schlägt die Aba vor. Alternativ könnte geregelt werden, dass bAV-Verpflichtungen bei einem Rechtsträger in Deutschland verbleiben (Rentnergesellschaft).

„Es kann nicht sein, dass schwierige Rechtsverfolgungen in einem anderen europäischen Staat zu Lasten der Arbeitnehmer oder des PSV und damit zu Lasten der Solidargemeinschaft seiner Mitglieder (Arbeitgeber) gehen“, fasst Stiefermann zusammen. Ob die Intervention der Aba Erfolg haben wird, kann Stiefermann noch nicht abschätzen. Zur Anhörung im Rechtsausschuss war die Aba nicht eingeladen – wohl auch, weil das bAV-Thema „nur ein Randaspekt des Gesetzes sein dürfte, aber eben ein sehr wichtiger“, so Stiefermann.

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