Fahrerschutz in der Kfz-Haftpflicht: Notwendigkeit oder Überflüssigkeit?
Was Sie erfahren werden:
Was der Baustein Fahrerschutz leistet
Wie sich die Angebote hier untereinander und von der Unfallversicherung unterscheiden
Welche Beratungsansätze sich daraus für das Kfz-Wechselgeschäft ergeben
Existenziell, ein nettes Add-on oder doch überflüssig? Der Fahrerschutz in der Kfz-Haftpflicht verdient zumindest Beachtung in der Beratung. Der Hintergrund liegt in der Verkehrsunfallstatistik mit hierzulande über zwei Millionen Unfällen jährlich. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, auch: Die Hälfte der Fahrer, sofern verletzt, bekommt als Unfallverursacher keinen Cent von der Versicherung. Denn versichert über die eigene Kfz-Haftpflicht sind bekanntlich nur die Insassen. „Eine Perspektive, die auch in der Kfz-Beratung noch zu oft ausgeblendet wird“, findet Makler Bert Heidekamp aus Berlin. Von daher sein Plädoyer für den Fahrerschutz als „Kaskoschutz für den Fahrer“. Mit dem Hinweis, dass er gern mal mit einer Unfallversicherung verwechselt wird, die bei Invalidität nach Gliedertaxe eine Einmalleistung oder Rente zahlt. „Aber das sind zwei völlig unterschiedliche Anspruchsgrundlagen.“
Die Folgen im Blick
Der Fahrerschutz deckt Schadenersatzansprüche ab, die sich als Folge des Unfalls ergeben können: Heilkosten, Pflege und Haushaltführung, Umbaukosten. Bei schweren Verletzungen auch Schmerzensgeld, dazu Verdienstausfall und im schlimmsten Fall auch Beerdigungskosten und Hinterbliebenenleistungen. „All das, was normalerweise zivilrechtlich auf dem Schadenersatzweg geltend gemacht werden könnte, macht man hier gegen den eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer geltend.“
Dabei werden Zahlungen von Sozialversicherungsträgern oder anderer Haftpflichtversicherer auf die Leistungen des Fahrerschutzes angerechnet. Und: Der Baustein greift überwiegend nur bei Unfällen beim Lenken eines Fahrzeugs, während die Unfallversicherung sich auf alle Lebensbereiche bezieht.
Die Zeit im Blick
„Vorsicht beim Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten“, merkt dazu Dr. Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an. „Der Weg über den Fahrerschutz ist nur eine ganz schmale Ausschnittsdeckung zeitlicher Art von dem, was in 24 Stunden passieren kann.“ Zur Absicherung von Unfallrisiken sei die Unfallversicherung schon näherliegend, die mehr Lebenszeit abdeckt. Das Allerwichtigste sei aber die „Priorisierung von Risiken“. Und das heißt für ihn zuerst Berufsunfähigkeitsschutz. „Allerdings kann es auch Konstellationen geben, wo man – zum Beispiel als Selbstständiger – keine andere Absicherung hat und der Verdienstausfall bedeutend ist“, so der Verbraucherberater. Von daher könne man erwarten, dass das Thema Fahrerschutz in der Beratung bedarfsgerecht angesprochen wird.
Was dabei auf jeden Fall deutlich werden sollte: Unfallversicherung und Fahrerschutz sind zwei Produkte mit unterschiedlichen Ansätzen – pauschale Vorsorge hier, konkrete Schadenersatzleistungen da.
Der Fahrerschutz ist nur eine ganz schmale Ausschnittsdeckung von dem, was in 24 Stunden passieren kann.Peter Grieble, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
In Summen und Prozent
Das eine tun, aber auch das andere nicht lassen? Darauf könnte es hinauslaufen, zumal die Leistungen aus der Unfallversicherung als Summenversicherung nicht auf die Fahrerschutz-Leistungen angerechnet werden. Was auch nicht unerwähnt bleiben soll: Der Fahrerschutz kommt ohne Gesundheitsprüfung aus. Jeder berechtigte Fahrer hat automatisch Versicherungsschutz.
Die Maximalleistung orientiert sich in der Regel an der gesetzlichen Mindestversicherungssumme für Personenschäden in der Kfz-Haftpflichtversicherung von 7,5 Millionen Euro und geht teils darüber hinaus: Bis zu acht Millionen Euro pro Schaden sind es beim HDI, 15 Millionen Euro bei HDI Global SE und ebenso bei der VHV, bei der R+V 20 Millionen Euro.
Die Anbindung im Privatkundengeschäft mit circa 27 Prozent sei höher als im Firmenkundengeschäft mit etwa 20 Prozent, so Christian Hartrampf, Kfz-Versicherungsexperte bei der R+V, auf Anfrage. „Und wir beobachten, dass die Anbindungsquote der Fahrerschutz-Versicherung im Makler-Vertriebsweg mit etwa 26 Prozent höher ausfällt als in den weiteren Vertriebswegen, die auf rund 21 Prozent kommen.“ Ob das generell die vorherrschende Tendenz am Markt ist, wäre interessant zu wissen.
Fehlende Marktstandards: Wagnis und Wildwest
Für kleines Geld ist der Baustein im Privatschutz oft optional erhältlich. Auch für gewerbliche Pkw hat eine ganze Reihe von Gesellschaften ihn im Angebot. Für Lkw beziehungsweise Transporter muss man nach Heidekamps Erfahrung schon danach suchen. „Deshalb darauf achten, welche Wagniskennziffern versichert werden.“ Motorräder versichern nach seinen Recherchen nur drei Gesellschaften.
Jährlich 19 Euro brutto je Fahrzeug für Pkw, Lieferwagen und Wohnmobile kostet der Baustein nach eigenen Angaben beim HDI. 32,90 Euro (Pkw, Camping-Kfz) und 42,95 Euro für Lieferwagen sind es bei der R+V, für Krafträder fallen 359,40 Euro an.
Sehr kleinteilig wird es beim Vergleich des Kleingedruckten: Schmerzensgeld etwa ist in einigen Angeboten am Markt bis eine Million Euro abgedeckt, manchmal auch reduziert auf 100.000 Euro oder gänzlich ausgeschlossen. Ähnlich bei den Rechtsanwaltskosten.
Voraussetzungen, Obliegenheiten, Mitwirkungspflichten und Ausschlüsse – wie stark die Differenzierung hier ist, macht Heidekamp auch an den 62 Schwerpunktfragen für sein Auswahlverfahren fest. Grundlage dafür: sein aktualisiertes Rating aus 2022.
Teils gibt es den Baustein erst ab Alter 23 Jahre. „Bei einigen Anbietern kann man überhaupt erst einen Anspruch geltend machen, sofern man drei oder fünf Tage im Krankenhaus war.“ Wer will solche Klauseln schon? Genauso wenig wie den Ausschluss von Bandscheibenvorfällen, physischen oder psychischen Störungen.
„Es herrscht noch etwas ‚Wildwest‘ beim Fahrerschutz“, kommentiert er die hier fehlenden Markstandards. Leider sei das kein geschützter Begriff. „Auch da toben sich die Gesellschaften aus und verkaufen darunter tatsächlich auch Unfallrenten. Gerade auch bei Online-Portalen.“
Macht die Unfallversicherung den Kfz-Fahrerschutz überflüssig?
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Kein Markstandard beim FS, viele Ausschlüsse
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