Elementar-Pflichtversicherung: Ein Lösungsansatz, aber kein Allheilmittel
Die Gefahr von Extremwetterereignissen steigt – entsprechend nimmt auch das Risiko für Hausbesitzer zu, dass ihr Eigenheim von Stürmen, Hagel oder Überschwemmungen in Mitleidenschaft gezogen wird. Dennoch sind laut Daten des Versichererverbands GDV weiterhin nur 57 Prozent aller Gebäude hierzulande gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung abgesichert.
Die Bundesregierung hat auf diesen Missstand reagiert und hat sich in den Koalitionsvertrag geschrieben, eine Pflicht zur Elementarschadenversicherung einzuführen. Die Versicherer sollen dazu verpflichtet werden, Wohngebäudeversicherungen nur noch mit dem entsprechenden Elementarschutz-Baustein zusammen zu verkaufen. Zudem sollen bestehende Wohngebäudeversicherungen zu einem bestimmten Stichtag um eine Elementarschutzversicherung erweitert werden. Unklar ist derzeit noch, ob Hausbesitzer diese abwählen können.
Doch ist die Einführung einer Pflichtversicherung eine sinnvolle Lösung, um Naturgefahren künftig besser abzusichern, ohne dass der Staat als „Samariter“ finanziell in die Bresche springen muss.
Kein „Allheilmittel oder Selbstläufer“
Eine aktuelle Studie des Centrums für Europäische Politik (cep) im Auftrag der VHV Versicherung kommt nun zu dem Schluss, dass die Einführung einer Pflichtversicherung kein „Allheilmittel oder Selbstläufer“ ist. Damit ihre Einführung zu einer Verbesserung des Status quo führt, muss sie zwingend an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden.
Dazu zählen die Autoren insbesondere die Aufrechterhaltung und Intensivierung von Maßnahmen zur Schadenprävention und -minimierung sowie individuelle, risikogerechte Prämien. Ohne diese könnten Hausbesitzer zu sorglosem Verhalten veranlasst werden. „Das Wissen, im Schadensfall von einer Versicherung entschädigt zu werden, kann dazu führen, dass die Versicherten weniger (finanzielle Ressourcen in die Risikovorsorge bzw. -vermeidung investieren, und sie zu riskanterem Verhalten einladen“, warnen die Autoren. Auch der Staat könnte in dem Wissen, dass die Versicherer die Kosten tragen, sich aus der Verantwortung für die Bereitstellung genereller Schutzvorkehrungen, z. B. dem Bau von Hochwasserschutzanlagen, zurückziehen.
Weniger Schäden sind auf diese Weise nicht realistisch – im Gegenteil. Damit sei auch nicht davon auszugehen, dass die Versicherung günstiger werde. Stattdessen könnten die Versicherer dazu gezwungen werden, Produkte anzubieten, die eigenwirtschaftlich (langfristig) nicht tragfähig sind. Unerwähnt bleibt in der Studie, dass dies dazu führen könnte, dass sich immer mehr Versicherer aus dem Markt für Wohngebäudeversicherungen zurückziehen. Wozu das führen könnte, lässt sich bereits in Teilen der USA, unter anderem Kalifornien beobachten, wo viele Hausbesitzer keinen Versicherungsschutz mehr bekommen.
Weitere Bausteine zwingend
Damit eine Pflichtversicherung also überhaupt zu einer Verbesserung der Versichertensituation führt, bräuchte es zwingend weiterer Bausteine, so die Studienautoren. Dazu gehören neben strengen baulichen Auflagen, insbesondere in Hochrisikolagen, die Umsetzung weiterer Klimawandelanpassungsmaßnahmen durch den Staat, um Schäden zu vermeiden bzw. zu verringern.
Zudem bedürfe es weiterhin eine staatlichen Rückversicherungslösung. Diese könne zu Beginn auf nationaler Ebene umgesetzt werden, müsse mittel- bis langfristig jedoch auf eine europäische, letztlich gar eine globale Ebene erweitert werden. Auch andere privatwirtschaftliche Absicherungsoptionen, wie beispielsweise Katastrophenanleihen oder parametrische Wetterversicherungen, sollten weiter gestärkt werden.
Die Pflichtversicherung allein ist somit laut den Studienautoren alles andere als eine Optimallösung. Nur unter strengen Voraussetzungen und in einem Bündel begleitender Maßnahme kann sie ein Baustein zur Problemlösung sein.
Long Story short
Die Einführung einer Pflichtversicherung für Naturgefahren ist ein erster Schritt, um Hausbesitzer besser abzusichern, ist jedoch laut einer Studie des Centrums für Europäische Politik kein Allheilmittel. Sie erfordert zusätzliche Maßnahmen wie Schadenprävention, risikogerechte Prämien und staatliche Klimaanpassungsmaßnahmen, um wirksam zu sein.