Gericht stärkt Kundenrechte: Klare Ansage zur Auslegung von Grundfähigkeits-Klauseln
Die unterschiedliche Auslegung der Versicherungsbedingungen führt häufig zu Streit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Während eine möglichst weite Interpretation der jeweiligen Paragraphen im Sinne der Versicherten ist, vertreten die Versicherer zumeist einen deutlich restriktiveren Ansatz. Entscheiden muss in solchen Fall zumeist ein Gericht.
Dies war auch zuletzt der Fall vor dem OLG Köln (Az: 20 U 163/23; Beschluss vom 11. Juli 2025), das über eine Klausel in einer Grundfähigkeitsversicherung zu entscheiden hatte. Deren Besitzer hatte gegenüber dem Versicherer angezeigt, die Grundfähigkeit „Knien/ Bücken“ nicht mehr ausüben zu können. Hierzu heißt es in den Versicherungsbedingungen:
„Ein Verlust liegt vor, wenn die versicherte Person nicht mehr in der Lage ist, sich aus eigener Kraft zu bücken oder hinzuknien, um mit den Fingern den Boden zu berühren, und sich danach wieder aufzurichten.“
Versicherer legt Klausel sehr restriktiv aus
Der Versicherer verweigerte jedoch die Leistungszahlung. Unter anderem vertrat er die Meinung, dass der Verlust der Grundfähigkeit „Knien/ Bücken“ bedingungsgemäß nur dann festzustellen sei, wenn der versicherten Person weder ein Bücken noch ein Knien möglich sei. Wenn der Kunde sich – wie im vorliegenden Fall – noch hinknien könne, trete der Versicherungsfall nicht ein. Zudem betonte der Versicherer, dass der Versicherungsschutz nur greife, wenn der Kunde sich nur mittels fremder Hilfe wieder aufrichten könne. Gelingt ihm das jedoch dank Hilfsmitteln, sei der Versicherer nicht in der Leistungspflicht.
Mit dieser Auffassung war der Versicherer jedoch bereits vor dem Landgericht Köln abgeblitzt. Dessen Urteil wurde nun auch vom OLG Köln gestützt. Dieses bekräftigte noch einmal: Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei aufmerksamer Durchsicht verstehe.
Was bedeutet "aus eigener Kraft"?
Dementsprechend sei die umstrittene Formulierung „aus eigener Kraft“ so zu verstehen, dass es dem Versicherungsnehmer aufgrund seiner eigenen körperlichen Kräfte, also ohne gegenständliche Hilfsmittel oder die Hilfe einer anderen Person, möglich sein müsse, sich wiederaufzurichten. Eine andere Deutung dieser Klausel erschließe sich nicht.
Da sich der Mann weder aus einer knieenden noch einer hockenden Position aus eigener Kraft wieder aufrichten könne, sei es nicht entscheidend, ob sich der Mann noch hinknien könne.
Entsprechend muss die Grundfähigkeitsversicherung dem Mann rückwirkend zum 1. Januar 2019 eine Grundfähigkeitsrente von rund 2.100 Euro auszahlen.