BaFin-Direktorin Julia Wiens: „Wenig ambitionierte Renditeziele“
In Ihrer Rede beim Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung hat Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht den Lebensversicherern zunächst ein solides Geschäft attestiert: Die Bruttobeitragseinnahmen der deutschen Lebensversicherer sind 2024 leicht gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr um rund 3 Prozent. Vor allem, weil sich das Neugeschäft gegen Einmalbetrag erholt hat. Die laufenden Beitragseinnahmen sind dagegen in etwa konstant geblieben.
Zuletzt haben die deutschen Lebensversicherer pro Jahr gut 1,5 Mio. Verträge in der fondsgebundenen Lebensversicherung verkauft. Oft mit Ansparphasen von mehr als 35 Jahren. Im Branchendurchschnitt kündigen pro Jahr rund 3,5 Prozent der Kundinnen und Kunden ihren Vertrag. „Wenn wir von einem konstanten jährlichen Storno in dieser Höhe ausgehen, hat nach etwa 20 Jahren die Hälfte der Kundinnen und Kunden ihren Vertrag vorzeitig beendet“, erläutert Wiens.
Wenig ambitionierte Renditeziele
Die BaFin erwartet bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung ab diesem Zeitpunkt, dass das für den Zielmarkt des Produkts formulierte Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht werden muss. „Diese Vorgabe an die Produkthersteller ist nun wirklich nicht überzogen“ so Wiens.
Des Weiteren sei der Aufsicht aufgefallen, dass einige Versicherer bei den Prüfungen im Rahmen der Produktfreigabeverfahren teilweise sehr wenig ambitionierte Renditeziele ansetzen. Für die Anlage in Aktienfonds etwa nur ein Ziel von zwei Prozent. Also auf Höhe der Inflationserwartung. „Zwei Prozent – solch eine Rendite kann man auch mit Anleihen erzielen“, sagt Wiens.
Identische Renditeziele für unterschiedliche Anlagestrategien?
Wenn man dann noch bedenke, dass manche Unternehmen gleichzeitig Effektivkosten von vier Prozent ausweisen, müsse ein Produkt eine Vorkostenrendite von sechs Prozent erreichen. Das wiederum erscheint laut Wiens recht ambitioniert. „In solchen Fällen wäre es besser, einmal über die Höhe der Kosten nachzudenken“, mahnt Wiens.
Wenig überzeugend sei es für die BaFin, wenn Versicherer für unterschiedliche Anlagestrategien identische Renditeziele formulieren. Also etwa für Anlagen auf Basis von Aktienfonds und für Anlagen auf Basis von Rentenfonds. „Das widerspricht nicht nur unserem Merkblatt. Sondern auch dem gesunden Menschenverstand. Gesehen haben wir das in Einzelfällen trotzdem. Viele von Ihnen werden mir zustimmen: Das geht besser“, so Wiens.
Der Kundennutzen steht im Vordergrund
Kapitalbildende Lebensversicherungen müssen laut Wiens einen angemessenen Kundennutzen bieten. Das gelte für die Ansparphase genauso wie für die Rentenbezugsphase.
In der Rentenbezugsphase stellten sich allerdings andere Fragen. Da gehe es zum Beispiel darum, ob die gezahlten Rentenleistungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem dafür aufgewendeten Kapital stehen.
„Dieses Thema hatten wir auch bei der Abfrage der Lebensversicherer berücksichtigt, die wir in diesem Jahr durchgeführt haben. Mit dieser Abfrage wollen wir das Zahlenmaterial für unsere wohlverhaltensaufsichtlichen Risikoindikatoren aktualisieren. Die Abgabefrist war im August. Zurzeit werten wir die Daten aus. Anschließend werden wir das angepasste Zahlenmaterial auf unserer Website veröffentlichen“, erläutert Wiens.
„Ich kann Ihnen versichern: Das Thema Kundennutzen bleibt weit oben auf unserer Agenda“, kündigt die Exekutivdirektorin an. Eine ebenso große Rolle spiele der rasante technologische Wandel. Die Versicherer müssten in eine moderne IT investieren und die Risiken, die mit der stärkeren Nutzung von KI einhergehen, angemessen managen.