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Stiften aktive ETFs einen Mehrwert?

Immer mehr aktive Exchange Traded Funds (ETFs) erscheinen auf dem Investmentmarkt. Doch kann diese Anlageform tatsächlich einen Mehrwert stiften? Martin Bechtloff von Franklin Templeton ist davon überzeugt, Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung sieht das kritischer.

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17:05 Uhr | 07. Mai | 2025
Martin Bechtloff, VP ETF Distribution bei Franklin Templeton, und Franz Kaim Geschäftsführender Gesellschafter bei der Kidron Vermögensverwaltung GmbH

Martin Bechtloff, VP ETF Distribution bei Franklin Templeton, und Franz Kaim Geschäftsführender Gesellschafter bei der Kidron Vermögensverwaltung GmbH, blicken unterschiedlich auf die Chancen von aktiven ETFs.

| Quelle: Franklin Templeton / Kidron
Aktive ETFs entwickeln sich zunehmend von einer Nischenstrategie zu einem etablierten Anlageinstrument.
Martin Bechtloff

VP ETF Distribution bei Franklin Templeton

Aktive ETFs sind und bleiben auf Wachstumskurs, dies zeigt sich aktuell auch in der raschen Ausweitung der Angebote durch große Vermögensverwalter, teilweise getrieben durch einen hochgradig wettbewerbsintensiven Markt. Da die Gebühren im passiven ETF-Sektor weiter sinken, wenden sich Vermögensverwalter aktiven ETFs als Differenzierungsmerkmal zu. Können ETF-Manager mittels aktivem Management Alpha erzeugen?

Ein erfahrenes Team als Erfolgsfaktor

Entscheidend sind die Faktoren erfahrenes Team, ein robuster und bewährter Auswahlprozess mit hoher Erfolgsquote sowie niedrige Kosten. Es werden also die beiden Aspekte des traditionellen ETF-Auswahlverfahrens mit dem Auswahlverfahren eines aktiven Investmentfonds kombiniert.

Die Verwaltung aktiver ETFs erfolgt oft durch spezialisierte Investmentteams. Bei uns wird das aktive Management von einem erfahrenen Team aus Analysten, Forschern und Portfoliomanagern durchgeführt, das enge Beziehungen zu den Unternehmen pflegt und auf tiefgehende Marktkenntnisse setzt.

Investoren legen zunehmend Wert auf Flexibilität

Ein Haupttreiber für die steigende Nachfrage nach aktiven ETFs ist die Veränderung im Anlegerverhalten. Wie ihre passiven Pendants haben aktive ETFs unterschiedliche Anwendungen in privaten und institutionellen Portfolios. Eine Hauptanwendung ist die Portfoliodiversifizierung, da aktive ETFs Zugang zu Sektoren, Themen oder Anlagestilen bieten können, die in traditionellen Index-ETFs möglicherweise unterrepräsentiert sind. Investoren legen zunehmend Wert auf Flexibilität und granulare Lösungen, die sich an Marktbedingungen anpassen lassen.

Besonders im Segment der festverzinslichen Wertpapiere sehen wir eine attraktive Gelegenheit für aktives Management, da hohe Zinssätze, geopolitische Unsicherheiten und Inflationsrisiken ein differenziertes Management erfordern. Bei Anleihen entsteht der Mehrwert oft durch strategisches Durationsmanagement, Sektorallokation und Wertpapierauswahl, insbesondere da festverzinsliche Indizes in der Regel die größten Emittenten und nicht diejenigen mit dem höchsten Wert oder der besten Bonität priorisieren – eine Situation, die erfahrene Manager effektiv ausnutzen können.

Zugang zu einem neuen Marktsegment

Ein besonders spannender Bereich sind grüne Anleihen. Ein aktiver ETF, der sich beispielsweise auf grüne Anleihen konzentriert, ermöglicht es Anlegern, Zugang zu diesem relativ neuen Marktsegment zu erhalten und gleichzeitig einen potenziellen Mehrwert zu schaffen.

Aktive ETFs entwickeln sich zunehmend von einer Nischenstrategie zu einem etablierten Anlageinstrument. Wir glauben, dass das anhaltende Wachstum der ETF-Struktur die traditionelle Diskussion um 'aktiv versus passiv' letztlich obsolet machen wird.

Trotz teilweise leicht höherer Kosten und regulatorischer Herausforderungen bleibt das Potenzial aktiver ETF-Produkte hoch, insbesondere in volatilen Marktphasen und spezialisierten Segmenten wie nachhaltigen Investments oder festverzinslichen Wertpapieren.

Die ETF-Hülle allein macht aus einer aktiven Idee noch lange kein überlegenes Produkt.
Franz Kaim

Geschäftsführender Gesellschafter Kidron Vermögensverwaltung

ETFs gelten als Paradebeispiel für Transparenz, Effizienz und Kostendisziplin. Sie folgen klar definierten Regeln und bilden Indizes passiv ab – ohne Anspruch, den Markt zu schlagen. Genau das hat sie so erfolgreich gemacht. Doch mit der neuen Gattung der aktiven ETFs kehrt eine alte Idee in neuem Gewand zurück – und mit ihr die bekannten Schwächen aktiver Strategien.

Mehrwert? Bisher selten belegt.

Das Versprechen aktiver ETFs ist verlockend: die Flexibilität und Selektionskraft aktiven Managements – kombiniert mit den Vorteilen der ETF-Struktur. Doch ob dieses Hybridmodell tatsächlich einen nachhaltigen Mehrwert liefert, bleibt offen. Die meisten aktiven Manager schaffen es nicht, ihre Benchmark langfristig zu übertreffen – insbesondere nach Abzug der Kosten. Warum sollte das nun plötzlich im ETF-Mantel gelingen?

Viele aktive ETFs sind jung, haben noch keinen belastbaren Track Record, und oft fehlt eine standardisierte Benchmark. Ohne klare Vergleichsmaßstäbe ist es für Anleger schwer, zwischen Können und Zufall zu unterscheiden. Das gilt umso mehr, wenn Manager taktisch agieren, ohne eine klar kommunizierte oder regelbasierte Strategie.

Transparenz? Häufig nur auf dem Papier.

Ein weiteres Problem: die Nachvollziehbarkeit. Während klassische ETFs täglich offenlegen, was sie halten, bleibt bei aktiven Varianten oft unklar, welche Strategie verfolgt wird. Manche Anbieter veröffentlichen Positionen mit Zeitverzögerung – oder gar nicht im Detail. Das widerspricht dem Transparenzversprechen, mit dem ETFs einst angetreten sind.

Struktur? In der Theorie effizient, in der Praxis anfällig.

Aktive ETFs nutzen zwar die gleiche Hülle wie ihre passiven Pendants – doch bei illiquiden Titeln (z. B. Small Caps oder High-Yield-Anleihen) kann der tägliche Börsenhandel zum Nachteil werden. In volatilen Phasen kann es zu weiten Spreads kommen, wenn Market Maker sich zurückhalten oder die Preisbildung durch mangelnde Liquidität erschwert wird. Klassische Fonds sind hier im Vorteil: Sie handeln nicht börsentäglich, sondern intern – oft ruhiger und kontrollierter.

Kosten? Günstiger als Fonds – aber teurer als nötig.

Aktive ETFs positionieren sich als günstigere Alternative zu klassischen aktiven Fonds – was in vielen Fällen stimmt. Aber sie sind immer noch deutlich teurer als rein passive Produkte. Wenn der potenzielle Mehrwert nicht belegbar ist, wird selbst ein niedriger Aufschlag zur Hürde. Der Anleger zahlt für ein Versprechen, das bislang nur selten eingelöst wurde.

Vertrauen? In die Verpackung – oder in die Strategie?

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit. Viele ETF-Anbieter, die heute aktive Produkte vermarkten, waren noch vor wenigen Jahren Verfechter des passiven Investierens. Jetzt soll plötzlich aktives Management wieder sinnvoll sein? Der Verdacht liegt nahe, dass hier vor allem Marketing und Marktbedürfnisse den Kurs bestimmen – nicht die Überzeugung, im Sinne des Anlegers zu handeln.

Fazit: Mehr Verpackung als Substanz

Aktive ETFs mögen auf dem Papier modern wirken – in der Praxis aber vermengen sie die bekannten Herausforderungen aktiver Strategien mit den strukturellen Anforderungen eines ETF. Sie sind weder besonders transparent noch konsistent überlegen. Wer über die Marktrendite hinaus aktiv investieren möchte, sollte auf bewährte Instrumente setzen: auf klar kommunizierte Strategien, erfahrene Manager und transparente Fondsstrukturen. Die ETF-Hülle allein macht aus einer aktiven Idee noch lange kein überlegenes Produkt.

Was halten Sie von aktiven ETFs als Anlageform?