ZZR sinkt – steigen jetzt die Überschussbeteiligungen?
Es ist eine gute Nachricht für Kunden, die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben: Die Zinszusatzreserve (ZZR) könnte – Zinsanstieg sei Dank – in diesem Jahr um drei Milliarden Euro sinken. Lag sie im vergangenen Jahr noch bei 96,04 Milliarden Euro prognostiziert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für 2022 eine ZZR von 93 Milliarden Euro. Damit sinkt sie das erste Mal.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Die bisher zurückgestellten und nun aufzulösenden Reserven könnten den Versicherten zugutekommen. Denn: Werden besagte Mittel frei, stehen sie ausschließlich der Kundschaft zu, während Aktionäre und Unternehmen nicht von der Auflösung profitieren, erklärt der GDV.
Allerdings gibt es eine kleine Einschränkung, bevor Kunden sich tatsächlich vom warmen Geldregen in Form von Überschussbeteiligungen berieseln lassen können: „Zunächst wird das Kapital zur Finanzierung der Garantien genutzt“, so der Branchenverband.
Wie schnell die Reserven verringert werden können, ist zum einen davon abhängig, wie sich das allgemeine Zinsniveau am Kapitalmarkt entwickelt. Zum anderen spielt die Höhe der garantierten Versicherungsleistungen mit einem Rechnungszins über dem Referenzzins eine Rolle. Außerdem müssen die Versicherer auch die (Rest-)Laufzeit des Bestandes einbeziehen.
Gesetz dem Fall, dass der Referenzzins auf dem derzeitigen Niveau bleibt, können die Versicherer davon absehen, eine Zinszusatzreserve für Verträge mit niedrigen Garantien aufzubauen. Doch was ist mit den anderen Verträgen, die noch über 15 Jahre laufen werden? An diesem Punkt kommt der sogenannte Bestandseffekt zum Tragen: Schon heute laufen alte, höher verzinste Verträge allmählich aus. Dieser Effekt überwiegt den noch zu stemmenden Zuführungsbedarf (im Branchenmittel). Also kann die ZZR sinken.
Sollten die Zinsen allerdings noch weiter steigen, müssen die Garantien nicht mehr zusätzlich finanziert werden. Der GDV schlägt vor, dass die Lebensversicherer die verfügbaren Mittel aus der Reserve auch in attraktiver verzinste Wertpapiere oder andere Kapitalanlagen investieren. Das ist auch sinnvoll, denn: Etwa 77 Prozent der Kapitalanlagen der Lebensversicherer sind in festverzinslichen Wertpapieren investiert, die geringere Erträge abwerfen.
Wenn dann also schließlich die Garantien finanziert und die Reserven umgeschichtet worden sind, geht das, was am Ende übrigbleibt, in Form der Überschussbeteiligungen an die Kunden. Oder? „Da der Zinsanstieg zu deutlichen stillen Lasten bei den festverzinslichen Wertpapieren führt, sind Hoffnungen auf höhere Überschüsse und Gewinnbeteiligungen verfrüht“, erklärt Reiner Will, geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur in einem procontra-Gastbeitrag.
Er glaubt, dass viele Versicherer eher geneigt sein werden, die Lasten bilanziell zu verarbeiten, als Überschüsse an die Kunden auszuschütten. Stille Lasten entstehen, wenn die Marktwerte niedriger sind gegenüber den Buchwerten der Kapitalanlagen. Erst mittelfristig werden, so Will, die Kunden von den Entwicklungen profitieren.