Höchstrechnungszins: Nie mehr über 1 Prozent?

Die Deutsche Aktuarvereinigung will den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung auch im Jahr 2023 auf 0,25 Prozent halten. Sie richtet zudem einen Appell an die neue Bundesregierung und fordert ein grundlegend neues Verständnis des Garantie-Begriffs.

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13:11 Uhr | 29. November | 2021

Es ist dem dauerhaften Niedrigzinsumfeld geschuldet, dass der Höchstrechnungszins (HRZ) für Lebensversicherungen zum 01.01.2022 von derzeit noch 0,9 auf 0,25 Prozent abgesenkt wird. Ein Schritt, denn die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) für sehr sinnvoll hält. So sinnvoll sogar, dass sie empfiehlt, das HRZ-Niveau auch im gesamten Jahr 2023 auf 0,25 Prozent zu belassen.

„Nicht zuletzt in Anbetracht der wirtschaftlichen Unsicherheiten durch die Coronapandemie sehen wir derzeit keine Anzeichen für eine spürbare Erholung der Zinsen in naher Zukunft“, wird der DAV-Vorstandsvorsitzende Herbert Schneidemann heute in einer Presseinformation des Vereins zitiert. Es sei noch zu früh, so Schneidemann, die langfristige Entwicklung der Inflation und die potenziellen Reaktionen der Europäischen Zentralbank zu prognostizieren. In diesen äußerst unsicheren Zeiten wolle die DAV mit ihrer Empfehlung Planungssicherheit für die deutsche Altersvorsorge schaffen.

100-prozentige Beitragsgarantie abschaffen

An die sich gerade findende Bundesregierung appellieren die Versicherungsmathematiker, die Garantieanforderungen für staatlich geförderte Vorsorgeprodukte schnell neu zu definieren. „Die weiterhin vorgeschriebene 100-Prozent-Beitragsgarantie verengt unnötigerweise die Möglichkeiten, in chancen- und damit renditereichere Anlageformen zu investieren“, meint Schneidemann. Sinnvolle Garantien würden hingegen deutlich unterhalb des Beitragserhalts liegen. Somit müssten die Versichertenbeiträge nicht vollständig zur Absicherung der Garantien eingesetzt werden und es könnte unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten ein bestmöglicher Ertrag erreicht werden.

Mit dieser Sichtweise stehen die Aktuare nicht allein da. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) reagierte bereits auf die DAV-Empfehlung und bezeichnete diese als „folgerichtig“. Mit Blick auf die staatlich geförderte private Altersvorsorge sowie die betriebliche Altersversorgung (bAV) solle die Bundesregierung die Flexibilisierung der bislang gesetzlich geforderten vollständigen Beitragsgarantie schnell angehen. „Andernfalls drohen auch bei der Altersvorsorge über den Betrieb Angebotslücken, da Arbeitgeber kaum noch Beitragszusagen mit Mindestleistung gewähren könnten. Diese werden vor allem von mittelständischen und kleineren Unternehmen genutzt“, argumentiert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Sicherheitsnetz statt Mindestrendite

Neben ihrer Empfehlung spricht sich die DAV auch für ein grundsätzlich neues Verständnis des Garantiebegriffs in der Lebensversicherung aus. Eine garantierte Verzinsung wurde bislang häufig als Mindestrendite verstanden. Mit dieser Sichtweise sind 0,25 Prozent natürlich alles andere als attraktiv. „Angesichts der anhaltenden Nullzinsphase ist diese Betrachtung aber nicht mehr sachgerecht und zeitgemäß. Vielmehr sind Garantien heutzutage das Sicherheitsnetz für den Fall sehr schlechter Kapitalmarktentwicklungen“, erläutert Schneidemann. Um dem Wunsch der Kundinnen und Kunden nach Sicherheit gerecht zu werden und gleichzeitig Renditechancen nicht zu verbauen, dürfe das Garantieniveau aus aktuarieller Sicht nicht zu hoch sein.

Durch diese Brille erscheint der Schritt hin zu mehr Verbreitung von LV-Produkten mit weniger als 100-prozentiger Beitragsgarantie kleiner als bisher. Gleichzeitig verpasst die DAV damit allen Hoffnungen auf einen Wiederanstieg des Zinsniveaus in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten einen kräftigen Dämpfer.

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